Viola Angelika Heinzelmann-Schwarz schwärmt heute noch von der „Wahnsinnsqualität“ des alten Kreiskrankenhauses in Kirchheim: „Das Diakonissenkrankenhaus war schick und modern und hatte eine sehr gute Pflegeabteilung.“ Heinzelmann, geboren 1969 in Kirchheim, ist heute Leiterin der Frauenklinik und Chefärztin der Gynäkologischen Onkologie am Universitätsspital Basel sowie Professorin für Gynäkologie an der Universität Basel. Sie baute das Gynäkologische Tumorzentrum am Unispital auf und ist an der Universität verantwortlich für den Masterstudiengang „Reproduktion“. Heinzelmann ist Mutter zweier Kinder und bis heute die einzige Ärztin für Frauenheilkunde in der Schweiz mit voller Professur.
Ihr Weg als Medizinerin begann jedoch in Kirchheim, wo sie als Schülerin des Ludwig-Uhland-Gymnasiums den Schwesterhelferinnenkurs belegte, um dem DRK bei der Blutspende zu helfen. Während des Studiums in Tübingen arbeitete sie in den Ferien auf der Pflegestation der Medius-Klinik des Kreiskrankenhauses und war begeistert von der Art der Aidlinger Diakonissen: „Ich durfte sogar auf der Intensivstation und der Station für Neugeborene arbeiten.“ Bald aber zog es sie von der schwäbischen Kleinstadt in die Welt hinaus. Für ihre Doktorarbeit über den jüdischen deutschen Arzt Walter Edwin Griesbach, der 1938 von Hamburg nach Neuseeland auswanderte, forschte sie im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg, in Dunedin in Neuseeland sowie in Sydney. Sie besitzt neben der deutschen und schweizerischen auch die australische Staatsbürgerschaft.
Es folgten Praktika in Stuttgart, London und schließlich in Zürich, wo ihr 1996 ihre erste klinische Stelle am Universitätsspital in der Gynäkologie angeboten wurde. Lange vor dem Personenfreizügigkeitsabkommen war der Umzug in die Schweiz noch ein bürokratisches Abenteuer. Heinzelmann wohnte erst einmal in einer WG und erinnert sich noch gut an den Antrag bei der Fremdenpolizei. Auch wenn sie 2000 ihren zukünftigen Mann, den Schweizer Physiker Matthias Heinzelmann, kennenlernte, zog es Viola Heinzelmann 2002 erneut für zwei Jahre zurück nach Sydney. Ihr Mann begleitete sie.
Dann schloss sie während dreier Jahre ihre Ausbildung am Unispital in Zürich ab. Zwei Jahre arbeitete sie gleichzeitig als Oberärztin in einem Zürcher Krankenhaus und forschte am Unispital. Zudem zog das Paar den 2005 geborenen Sohn groß. Als zweite Frau an der Universität habilitierte sie sich 2008 im Fach Frauenheilkunde.
Danach zog sie mit der Familie erneut nach Sydney, wo sie sich in der gynäkologischen Onkologie, der Therapie von Krebserkrankungen bei Frauen, spezialisierte. 2011 wurde die Tochter geboren. 2012 kam Heinzelmann schließlich nach Basel. „In der Medizin fehlen weibliche Vorbilder“, berichtet Heinzelmann über die Schwierigkeiten in der noch immer bestehenden Männerdomäne. In ihrer Zeit in Zürich seien alle Akademikerinnen ledig gewesen – sie aber habe sich immer eine Familie gewünscht. Das wäre ohne ihren Ehemann nie gegangen, sagt sie. Auch ihr jüngerer Bruder habe die Familie tatkräftig unterstützt: „Ohne die beiden Männer hätte ich es nie geschafft.“
Wie Heinzelmann noch Zeit für ihre Geige, fürs Segeln auf dem Bodensee, Skifahren und Tennis findet, bleibt ihr Geheimnis. Mit all den Aufgaben, die sie heute wahrnehme, brauche sie „ein komplettes Hilfswerk um mich herum: Ich muss jederzeit bereit sein für eine OP“. Ihre Wochenstunden zählt Heinzelmann nicht: „Ich arbeite normalerweise von 7 bis 21 Uhr; die Forschung findet abends und am Wochenende statt. Aber ich lege Wert darauf, meine Kinder ins Bett zu bringen.“
Heinzelmann hat nicht nur Wurzeln in Kirchheim, über ihre Großeltern mütterlicherseits auch solche aus dem Banat. Ungarisch und Serbokroatisch hat sie nie gelernt, obwohl sie bei ihren Großeltern aufgewachsen ist. Ihre „ganze Jugend“ spielte sie Geige im Schwäbischen Kammerorchester unter dem damaligen Dirigenten Ernst Leuze, wo bis vor 15 Jahren auch ihre Mutter, studierte Violinistin und mittlerweile 87 Jahre alt, spielte. Weil Leuze auch Kirchenmusikdirektor war, hatten Mutter und Tochter oft Gelegenheit, Oratorien zu spielen, was laut Heinzelmann sonst eigentlich Berufsmusikern vorbehalten ist.
Vier- bis sechsmal im Jahr kommt Heinzelmann zurück nach Kirchheim. Besonders haben ihr es bis heute die Fachwerkhäuser in der Marktstraße angetan: „Ich zeige meinen Kindern immer, wie wunderschön diese kleine Stadt ist.“