Technik
Die Sprache der Pflanzen verstehen 

Melden Pflanzen es, wenn sie Stress haben? Schüler des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums ­forschen im Schul-Hochbeet mit Sensoren der Kirchheimer Firma Lehner. 

Zehntklässer des Ludwig-Uhland-Gymnasiums experimentieren im Hochbeet mit Sensortechnik der Kirchheimer Firma Lehner. Foto: Carsten Riedl

Im Garten des Kircheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums (LUG) steht seit dem Frühjahr ein mit Wassertank und Zeitschaltung ausgestattetes Hochbeet. Entwickelt hat es Gerhard Reisinger, der vor dem Ruhestand mit der Staatsschule für Gartenbau Stuttgart zusammenarbeitete und nun unter anderem Schulen mit seiner Konstruktion ausstattet. Im Hochbeet wachsen Kohlrabi, jetzt wurden zusätzlich Tomaten und Paprika eingepflanzt. Das Beet dient der Klasse 10 e als Versuchsfläche. Beim Kohlrabi-Experiment der Gymnasiasten wurden die Auswirkungen des unterschiedlichen Pflanzabstands untersucht. 

 

Das ist eine Art Pflanzen-EKG, mit dem man deren Wohlbefinden oder Stress ableitet.

Dr. Lars Lehner, Geschäftsführer 

 

Das Ergebnis: Je enger die Pflanzen stehen, umso mehr schießen sie in die Höhe. „Man sieht, dass die Knollen kleiner sind, je weniger Fläche den Pflanzen zur Verfügung steht, erklärt Tim die ausgewertete Tabelle: „Auf 2069 Quadratzentimetern haben die Knollen einen Umfang von 31 Zentimetern, bei 388 Quadratzentimetern nur noch 14 Zentimeter.“ Gemessen wurden auch das Gewicht der Kohlrabi sowie die Fläche, Anzahl, Länge und Breite der Blätter. „Je größer die Fläche, desto größer die Blattanzahl und -fläche“, ergänzt Sebastian, „mit so extremen Unterschieden hatte ich nicht gerechnet.“ Auch auf den Geschmack der Kohlrabi hat der Pflanzabstand Auswirkungen. Jene, die mehr Platz hatten, schmecken wie gewünscht milder, die dicht auf dicht gepflanzten intensiver, was in dem Fall  nicht besser bedeutet.  

„Für Kohlrabi ist ein Pflanzabstand von 30 mal 40 Zentimetern optimal“, erklärt Michael Ernst, Direktor der Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart, von der die Pflanzen stammen. Dort wird auf großer Fläche im Freiland und in Gewächshäusern in Kooperation mit der Kirchheimer Firma Lehner Sensor-Systeme geforscht. Die direkt an den Pflanzen angebrachten Sensoren senden die gemessenen Pflanzen-Signale via Funk ins Unternehmen. Haben die Pflanzen Stress wegen Trockenheit, Schädlingen, zu wenig Licht oder Wärme, teilen sie das mit. Mittels dieser gesammelten Informationen soll gezielt und vor allem frühzeitig auf Probleme reagiert werden können. „Themen bei uns sind unter anderem auch alternative Düger wie Schafwolle oder der Verzicht auf Insektizide und stattdessen der Einsatz von Feindpflanzen, die bestimmte Schädlinge abwehren“, so Ernst.

Ziel des „smart farming“ an sich ist eine Arbeitserleichterung und Kostenersparnis für Landwirte, Gärtner und Winzer. „Noch läuft die Entwicklung und Datensammlung mit vielen unterschiedlichen Pflanzen“, ergänzt Lars Lehner. Mithilfe der Sensormessungen sollen die Pflanzen nur so viel Wasser bekommen, wie sie wirklich benötigen. Düngemittel lassen sich auf Basis der gesammelten Daten gezielter einsetzen, und der Erzeuger kann auf einen Schädlingsbefall reagieren, bevor dieser überhaupt sichtbar wird. Auch die notwendigen Temperaturen für ein optimales Gedeihen der Pflanzen können besser bestimmt werden. „Es geht darum, die Pflanzen verstehen zu lernen. Der Sensor ist dabei eine Art Pflanzen-EKG, über dessen gesendete Daten man das Wohlbefinden oder den Stress der Pflanzen ableiten kann“, erklärt der Geschäftsführer des Kirchheimer Unternehmens.

Sensoren fürs Gemüse

Beim LUG-Hochbeet versorgt ein mit einer Pumpe ausgestatteter Wassertank die Kohlrabi in regelmäßigen Abständen mit Wasser. „Allerdings noch unabhängig von deren tatsächlichem Bedarf. Das ist der nächste Schritt mit Sensoren an den Tomaten- und Paprikapflanzen“, erklärt Lehrerin Sabine Ramin, die das Projekt gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Rothauski betreut. Die aktive Testphase mit dem Hochbeet finden die beiden Lehrerinnen ebenso wie die beteiligten Schüler sehr aufschlussreich. Christopher nimmt aus dem Projekt viele nützliche Infos für seinen eigenen Gemüsegarten zu Hause mit, „zum Beispiel die Hochbeet-Konstruktion mit der gezielt gesteuerten Wasserzufuhr. Da kann man mit den gezielten Infos zum Bedarf gut was einsparen.“