Kirchheim
Die Träume leben,  bevor es zu spät ist 

Männerabend   Zum Abschluss der Reihe „Gut gerüstet in den Ruhestand“ ging es um eine wichtige Umbruchzeit im Leben: um den Übergang von der Arbeitswelt in die „nachberufliche Phase“.  Von Andreas Volz

Zwischen Couch und Cabrio: Wo genau befinden sich „Männer im Um-Schwung“ – speziell dann, wenn es um den Eintritt ins Rentenalter geht? Dieser Frage sind 17 Männer im katholischen Gemeindehaus St. Ulrich nachgegangen, zum Abschluss der Reihe „Gut gerüstet in den Ruhestand“. Die Frage ist nur schwer zu beantworten.

Es beginnt bereits mit den Definitionen: Warum ein Cabrio? Die Männer wollen lieber allgemein von „Auto“ sprechen, das sie als solches der Couch vorziehen,
 

Was uns zu dem macht, was wir sind, sind häufig die Brüche in unserem Leben.
Joachim Beck

steht es doch für Mobilität und Aktivität. Aber auch die Couch ist nicht nur schlecht, im Sinne von „hinhocken, in die Luft schauen und nichts tun“. Das geht im Cabrio nämlich auch, solange man nicht selbst am Steuer sitzt.

Zur Couch sagt Thomas Meyer-Weithofer, der den Abend namens des Vereins „buefet“ und der Gruppe „Was Männer bewegt“ anmoderiert: „Kommunikation ist mir wichtig, auch über ernste Themen. Und dazu setze ich mich gerne auf eine Couch.“ Die „richtigen Themen“ kommen an diesem Abend vielfach zur Sprache – im großen Stuhlkreis ebenso wie in Kleingruppen. Dabei geht es in großer Offenheit um die Umbrüche, in denen auch Brüche stecken.

Eines der Ergebnisse: „Das Leben sorgt dafür, dass es häufig ganz anders kommt als geplant.“ Meistens kommt es schlechter. Die „nachberufliche Phase“ – auf die sich die Gruppe als begriffliche Alternative zum „Ruhestand“ einigt – konfrontiert die Männer, um die es an diesem Abend geht, auch mit nachlassenden Kräften, Krankheit und Tod. Joachim Beck, Pfarrer im Ruhestand und ehemaliger Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll, der durch die Veranstaltung führt, sagt dazu: „Wir müssen die Endlichkeit und damit unsere eigene Begrenztheit aushalten.“

Sinn zu erleben, ist nicht nur in der nachberuflichen Phase wichtig. Die einen finden Sinn in der Aktivität, die anderen im Nachdenken, der eine im Sport, der andere bei Bach oder Beethoven. Sinn findet sich auch in Beziehungen, in der Familie. Ein anderer Punkt ist die materielle Sicherheit, gerade auch in Rente. „Ich werde wohl auch im Ruhestand arbeiten müssen, sonst komme ich finanziell nicht über die Runden“, gibt einer der Männer zu bedenken.

Bei den Beziehungen zeigt Joachim Beck ein großes Defizit auf: „Männer haben die meisten Kontakte durch den Beruf. Wenn der wegfällt, fehlen die Kontakte.“ Beziehungen in der Familie, in der Nachbarschaft oder zu Freunden würden oft die Frauen pflegen. Männern bleiben vielleicht noch Kontakte im Ehrenamt.

Risse lassen sich sogar vergolden

Wenn die Begegnungen mit den Kollegen und damit zugleich die wichtigsten Beziehungen wegfallen, ist das ein großer Bruch in der scheinbaren Kontinuität des Lebens. Zu diesen Brüchen verweist Joachim Beck auf den japanischen Begriff „Kintsugi“. Das bedeutet, dass zerbrochene Keramikschalen wieder zusammengeklebt werden. Die Risse werden sogar durch einen Goldanstrich betont. Aufs Leben übertragen, heißt das: „Was uns zu den Menschen macht, die wir sind, sind nicht nur unsere Erfolge. Häufig sind es die Brüche in unserem Leben.“

Unabhängig von der jeweiligen Phase – ob vor oder nach dem Beruf – rät der Referent dazu, zu leben und Träume nicht auf die Zukunft zu verschieben. Warum warten, bis es vielleicht zu spät ist? Der „Work-Life-Balance“ als Begriff kann er ohnehin nichts abgewinnen: „Da wird so getan, als wären Arbeit und Leben Gegensätze.“ Er rät also dazu, Arbeit – auch die häusliche oder die ehrenamtliche in der Nachberufsphase – und Leben generell als Einheit miteinander zu verknüpfen. Dann müsste auch die Balance stimmen, wie in einem fein austarierten Mobile.