Beim Stichwort Fasnet in Kirchheim denken die meisten wohl sofort an die Kloster-Deifel. Dass es eine weitere Zunft gibt, ist vielen nicht bekannt. Das ist auch Yvonne Streibelt bewusst, Schriftführerin und Gründungsmitglied der Wasserburg-Hexa. „Im Jahr 2012 haben sich vier Verrückte zusammengefunden, um die Wasserburg-Hexa zu gründen“, ergänzt Tobias Blattner schmunzelnd. Man sei der Meinung gewesen, dass die Teckstadt noch närrische Verstärkung brauchen könne - ohne aber den Kloster-Deifeln Konkurrenz machen zu wollen. „Im Gegenteil. Wir sind befreundet und helfen uns gegenseitig“, betont Yvonne Streibelt. Das Häsabstauben und die Narrentaufe am 6. Januar zum Beispiel veranstalten die Wasserburg-Hexa nur für sich intern, um den Kloster-Deifeln und deren öffentlicher Veranstaltung auf dem Marktplatz nicht in die Quere zu kommen. Beim Jubiläums-Umzug 2018 der Kloster-Deifel waren die Wasserburg-Hexa mit von der Partie und unterstützten die närrischen Deifel, indem sie beim Verkauf der Eintrittsbänder halfen.
Doch zurück zur Gründung der Hexa: Die damaligen Mitglieder setzten sich zusammen und überlegten, welchen Namen sie ihrer Zunft geben könnten und wie das Häs aussehen soll. „Wir haben uns intensiv in die Ortsgeschichte Kirchheims eingelesen. Denn wir wollten mit der Stadt verbunden sein, die wir als Zunft repräsentieren“, ergänzt Yvonne Streibelt. Nach längerem Suchen seien sie schließlich auf die Wasserburg gestoßen, von der wahrscheinlich viele gar nicht wüssten, dass es diese einmal in der Teckstadt gab.
Die Burg stand auf dem jetzigen Riethmüller-Areal; ringsum befand sich ein Wassergraben. Herzog Ulrich ließ sie schließlich abreißen - wann genau, dazu haben die Wasserburg-Hexa keine Daten gefunden. Nur so viel: Bis 1899 waren noch Reste der Burg zu sehen.
Blau für das Wasser, Grau für die Burgmauern und Braun für den Graben: „Das sind unsere Farben“, erklärt Tobias Blattner. So ist die Schürze der Hexa grau, ihr Rock braun und die Jacke blau. Dazu tragen sie geringelte Socken, „Alte-Oma-Unterhosen“, Strohschuhe, Hexenbesen - und natürlich handgeschnitzte Masken mit Kopftuch und gegerbten Pferdeschweifen, hergestellt von einem Bildhauer aus March bei Freiburg. „Jede einzelne Maske ist ein Unikat“, betont Yvonne Streibelt. „Für das komplette Häs ist man locker mit 1 000 Euro dabei“, ergänzt sie. Ein teures Hobby also. Doch für die Wasserburg-Hexa lohnt sich diese Investition - sind sie doch Narren durch und durch. Es mache einfach Spaß, Freude unter den Leuten zu verbreiten, Gleichgesinnte zu treffen und Freundschaften mit den Mitgliedern anderer Zünfte zu schließen, sagt Yvonne Streibelt.
2013 nahmen die Wasserburg-Hexa dann an den ersten Umzügen und Fasnetsveranstaltungen teil. Mittlerweile sind die aktuell 14 aktiven Hexen aus Kirchheim, Wernau und Denkendorf in der Fasnetssaison praktisch jedes Wochenende auf Tour - oft mit einer mit Konfetti gefüllten Badewanne im Schlepptau - und fahren zum Beispiel nach Donzdorf, Hohenstadt, Sielmingen, Wurmlingen, Rechberghausen, Frickenhausen oder Wernau. „Wir wollen keine große Gruppe werden: 25 Aktive sind das Maximum“, sagt Yvonne Streibelt, deren Mann Tobias Streibelt Zunftmeister ist und deren vierjährige Tochter Leonie ebenfalls als kleine Hexe mitläuft. „Bei uns geht es familiär zu. Das ist das Schöne.“
Hinzu komme, dass die Wasserburg-Hexa „sehr brauchtumsverbunden“ sind. „Unser Häs wird pünktlich zum Häsabstauben am 6. Januar aus dem Schrank geholt und in der Nacht zu Aschermittwoch wieder gut verstaut.“ Was das Thema Alkohol anbelangt, sind die Wasserburg-Hexa eher zurückhaltend: „Bei uns geht es nicht ums Saufen, wie das bei manchen anderen der Fall ist“, verdeutlicht Tobias Blattner. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein Hästräger auf die Besucher zugeht und nach Alkohol stinkt“, bestätigt die 27-jährige Yvonne Streibelt.
Interessiere sich jemand für eine Mitgliedschaft bei den Wasserburg-Hexa, werde ihm zunächst eine Frage gestellt, ergänzt Zunftmeister Tobias Streibelt: „Was ist für dich die Fasnet? Lautet die Antwort ,Party und saufen‘, dann ist er falsch bei uns.“ Für den 29-Jährigen geht es vor allem darum, die Tradition der schwäbisch-alemannischen Fasnet zu bewahren: „Ich bin mit ihr groß geworden. Sie gehört einfach dazu.“ Das sieht Tobias Blattner aus Wernau genauso: „Wir tragen unser Häs alle mit Stolz.“