Kirchheim
Die Weiterbildung bei Feess boomt

Wissen Im Jahr 2017 hat das Bauschutt-Recyclingunternehmen das Kompetenzzentrum K3 eröffnet. Mittlerweile ist es ein Treffpunkt von Studierenden, Experten und Entscheidungsträgern. Von Leonhard Fromm

Mehr als 1350 Besucher hatte das von Bauschuttrecycler Feess 2017 eröffnete Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft in Kirchheim (K3) in den Rabaillen 2023. Das waren gut ein Fünftel mehr als im Vorjahr. „Das Interesse an dem Thema wächst in der Baubranche, der öffentlichen Verwaltung und bei Politikern enorm,“ stellt Geschäftsführer Walter Feeß fest. Die Folgen dieser Entwicklung: Es gibt mehr Seminare, und die sind immer besser besucht.

 

Wir machen gern auch unsere Mitbewerber schlau, weil es uns um den Klimaschutz geht.
Walter Feeß
über die grundsätzlich offene Ausrichtung des Kompetenzzentrums

 

Der 69-Jährige Feeß, der 2016 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet wurde und der viele Millionen Euro in Wertstoffhöfe, Maschinen, technische Verfahren und in das K3 investiert hat, gilt bundesweit als Pionier der Branche. Der neunfache Opa kommt auch beim K3 seiner Vision deutlich näher: Knapp ein Drittel der Besucher und Seminarteilnehmer waren dieses Jahr Mitglieder von Verbänden, wie etwa dem Verband Deutscher Ingenieure (VDI) in Düsseldorf, dem Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) in Bonn oder Innungen regionaler Handwerkskammern.

Zwölf Prozent kamen aus Hoch- und Berufsschulen vom Professor über Studierende bis zu Schülern. Elf Prozent waren Architekten und Bauingenieure; acht Prozent kommunale Vertreter von Stadtwerken, Bauhöfen oder Behördenleiter aus Straßen-, Hochbau oder Wasserwirtschaft. Drei Prozent waren schließlich Mandatsträger aus Bund und Land, vom Grünen Ministerpräsident über die Landes-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) bis zum Staatssekretär im Bundes-Umweltministerium, Chris Kühn (Grüne).

Walter Feeß versucht in seinem K3 unermüdlich, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zusammenzubringen: „Alle Entscheider müssen wissen, wie man CO2-schonend baut, welche Gesetze und Verordnungen es dafür braucht und welche Referenzprojekte es dafür bereits gibt.“ Von den Maschinenherstellern bis zu den Baustoffzulieferern ist der Betrieb mit seinen rund 250 Beschäftigten in viele Forschungsprojekte eingebunden, um Erfahrungen zu sammeln, Verfahren zu verfeinern und den Wissenstransfer zu fördern. Entsprechend bringen sich Feess-Mitarbeiter bundesweit in Arbeitskreise, Fachgruppen und Ausschüsse ein.

Zentrum soll Akademie werden

Walter Feeß, dessen Söhne Alexander und Benjamin längst das Tagesgeschäft als Bauingenieure vorantreiben, will ab 2024 deshalb beim K3 erstmals im Außenauftritt von einer Akademie sprechen, weil hier exklusives Wissen gebündelt, in die Breite getragen und individuell beraten wird, um spezifische Lösungen für einzelne Branchen wie Hoch-, Tief-, Garten- oder Sportanlagenbau zu kreieren.

„Wir machen gerne auch unsere Mitbewerber schlau, weil es uns nicht um eigene Profite, sondern um den Klimaschutz geht,“ betont Feeß. Beleg dafür ist das neue Fachseminar „Neue Mantelverordnung“, das für die Baubranche seit diesem August in Kraft ist und reglementiert, welche recycelten Baustoffe wofür zugelassen und geeignet sind. Die ersten zehn Seminare waren mit mehr als 300 Teilnehmern mehr als ausgebucht. Und für diese Kurse im Januar und Februar gehen seit Wochen dutzende Anmeldungen ein.

Besonderes Highlight: Mittlerweile bestehen intensive Kontakte zu Vertretern aus Politik und Bauwirtschaft im Ahrtal, wo die Flut 2022 Millionen Kubikmeter Bauschutt hinterlassen hat, die nun mit Hilfe aus Kirchheim aufbereitet werden. Und hatte der Visionär 2017 die 125 000 Euro aus dem Umweltpreis in das K3 investiert, um den Nachwuchs für die Kreislaufwirtschaft zu sensibilisieren, besuchen mittlerweile jährlich hunderte Studierende von Bauingenieurwesen, Architektur, Umwelt- und Energiemanagement oder Siedlungswasserwirtschaft aus 17 Hochschulen in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen das K3.

Besucher aus dem Ahrtal

Auch Baubürgermeister und kommunale Klimamanager – wie aus dem Ahrtal – sind immer häufiger unter den Besuchern, um sich von Feess-Experten beraten zu lassen über konkrete Maßnahmen, deren Priorisierung und Umsetzung inklusive Aufwand und Kosten. Dies fördert ebenso den Akademie-Charakter wie die interdisziplinären Fachtage mit Experten aus dem gesamten Bundesgebiet, die hier gesellschaftliche Fragen rund um die Kreislaufwirtschaft diskutieren.

 

Hintergrund zum Bauen

Recycler verstehen Gebäude als Materiallager, deren Massen an Beton, Ziegeln, Kupfer oder Holz im Bestand digital erfasst werden oder heutzutage beim digitalen Planen und Ausschreiben bereits elektronisch vorliegen. Diese werden in Materialdatenbanken, dem sogenannten Madaster, öffentlich zugänglich gemacht und mit Daten hinterlegt, wann umgebaut, saniert oder rückgebaut wird. So kann lokal recherchiert werden, wo wann in welchen Mengen mineralischer Bauschutt anfällt, der zu R-Beton aufbereitet werden kann; Fenster und Türen, die neu verbaut werden können; Beschläge oder Fliesen etc. All das spart „graue Energie“ und Entsorgungskosten und CO2-Emissionen, weil Rohstoffe nicht der Natur entnommen und Produkte komplett neu hergestellt werden müssen. Zunehmend stellen Kommunen, Firmen oder Wohnbaugesellschaften ihre Immobilienbestände dort ein, um möglichst viele Daten sichtbar zu machen.

In digitale Plattformen wie Concular, an denen mittlerweile etwa Bauunternehmen wie Strabag/Züblin beteiligt sind und die mit solchen gebrauchten Produkten handeln, stellen Immobilienbesitzer oder Architekten zunehmend ihre freiwerdenden Baustoffmassen ein. Prominentes Beispiel war 2022 der Rückbau der VfB-Haupttribüne, deren Beton, Schalensitze und Glasfronten via Concular recycelt wurden. Zu deren Aufbereitung braucht es Dienstleister wie Feess. leo