Man spricht über Gott und die Welt, die Themen reichen vom Kochrezept bis zur Europawahl. Mit einer kleinen Besonderheit: Beim monatlichen Treffpunkt „table française“ wird auf Französisch kommuniziert, womit nebenbei auch sprachliche Feinheiten und kulturelle Unterschiede auf den Tisch kommen.
„Dieser Tisch spricht eigentlich Französisch“, sagt Thomas Kubicka und sorgt mit seiner Formulierung für Heiterkeit, vor allem bei den französischen Muttersprachlerinnen. „Sprich doch ein bisschen, Tisch!“, sagt eine von ihnen. Der Tisch, der Französisch spricht, steht im Nebenzimmer des Alten Forstamtes in Kirchheim. Immer am zweiten Mittwoch im Monat kommen hier Menschen zusammen, die diese Sprache lieben und aus unterschiedlichen Gründen praktizieren möchten. Wie Kubicka, der sie vor vielen Jahren studiert hat. „Das ist für mich eine Möglichkeit, das Französisch wachzuhalten“, sagt er als regelmäßiger Teilnehmer. Oder Angelika Reichmann, die kürzlich mit auf der Fahrt in die Partnerstadt Rambouillet war und Fremdsprachen auch im Beruf braucht. Sie schaut an diesem Tag zum ersten Mal rein. Nicole Ernaelsteen, zweisprachig aufgewachsen, erzählt, dass sie schon die Vorgänger-Runde in den 90er-Jahren kannte und jetzt wieder einsteigen will.
Tatsächlich gab es schon verschiedene Auflagen der französischen Gesprächsrunde, die ursprünglich ein Treffpunkt von Muttersprachlern war. Frankophile Deutsche kamen dazu und erweiterten den Kreis. Viele kennen sich seit Jahren, Neue sind stets willkommen. Die Muttersprachlerinnen sind das „Salz in der Suppe“: „Das hebt das Niveau“, findet Kubicka.
In diesem Sinn fragt Andrée Pillon-Watterott diejenigen, die an diesem Tag neu sind, ob sie bei sprachlichen Fehlern korrigiert werden möchten. Alle nicken, allerdings erweist es sich als nicht ganz einfach, eine Korrektur aufzunehmen, wenn man grade um eine französische Formulierung ringt. Und das bleibt nicht aus bei den Themen, die im Lauf der nächsten zwei Stunden teilweise lebhaft diskutiert werden. Eines drängt sich auf: die Europawahl und die Reaktion des französischen Präsidenten Macron darauf, der die Nationalversammlung – l’Assemblée Nationale – aufgelöst und Neuwahlen angekündigt hat. Pillon-Watterott bezeichnet das als „très courageux“, also sehr mutig – oder vielleicht auch „Harakiri“, wie jemand anderes einwirft.
Jeder muss mal Grübeln
Politik ist hier kein Tabu, es geht kontrovers zu, aber mit Respekt. Die Runde spricht über den Rechtsruck in Europa, die Stimmen der Jungwähler, über Flüchtlingspolitik, Bürokratie oder die Vorteile der EU. Wenn die Deutschen ein Wort suchen, helfen die Französinnen nach. Gelegentlich kommen diese selbst ins Grübeln. Wie sagt man noch gleich, wenn jemand opportunistisch „sein Fähnchen nach dem Wind hängt“? Es braucht eine Weile, bis die Gehirnwindungen die passende Entsprechung freigeben: „retourner sa veste“, die Jacke zurückgeben, könnte man sagen.
Neben sprachlichen Nuancen rücken auch Fragen der Lebensart häufig in den Blick, so auch, als der Spargel serviert wird. Wie isst man den hier am liebsten und wie wird er dort traditionell serviert? „Ich lebe seit 40 Jahren in Deutschland und lerne immer noch neue Sachen dazu“, stellt Andrée Pillon-Watterott fest.