Renata Alt ist viel unterwegs. In ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe kommt der Kirchheimer FDP-Bundestagsabgeordneten eine wichtige diplomatische Rolle zu.
„Egal, wo ich bin, spreche ich immer die Kinderrechte, die Frauenrechte oder die Behindertenrechte an. Man muss dabei aber immer den richtigen Moment abwarten.“ Wichtig sei es vor allem, nicht belehrend und mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten: „Man muss sich auch immer bewusst sein, dass wir in Deutschland selbst so einige Hausaufgaben zu erledigen haben.“
Beispiel USA: „Ich habe in Washington die Todesstrafe thematisiert, die in 20 US-Staaten noch vollzogen wird. Es muss in unserem Interesse sein, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen.“ Trotzdem braucht es die richtige diplomatische Vorgehensweise, um das Bewusstsein der Gesprächspartner für die Themen zu schärfen. Gut ist es dann, wenn man auf anderen Gebieten auch zeigt, dass man selbst noch viel lernen kann: „Das gilt für die Behindertenrechte in den USA. Die habe ich auch oft angesprochen, aber aus einem ganz anderen Grund. Da sind uns die USA in der Umsetzung weit voraus, und ich habe immer wieder nachgefragt, was wir bei uns in Deutschland verbessern können.“
Demokratie weltweit gefährdet
Die USA sind und bleiben für Deutschland ein wichtiger Partner. „Deswegen müssen wir sowohl mit den Demokraten als auch mit den Republikanern im Gespräch bleiben.“ Den Ausgang der Präsidentschaftswahl im November schätzt sie nach ihrem Besuch in Washington mit „Fifty-fifty“ ein. Sie hat den Eindruck, dass es eher die weniger gebildeten Menschen seien, die Trump mit seinen Parolen beeindruckt. „Das ist die wichtigste Wahl in der Geschichte der USA. Weltweit ist die Demokratie gefährdet, weil es immer mehr Autokratien gibt.“
So ähnlich könne sich das auch in den USA entwickeln, wenn Donald Trump die Wahl gewinnt: „Er sagt, er will das Problem im Nahen Osten so lösen wie in Hiroshima und Nagasaki. Und im Ukraine-Konflikt will er alle Gebiete ganz einfach Russland überlassen.“
Renata Alt selbst setzt im Nahen Osten wie auch im Ukraine-Krieg auf Diplomatie: „Da brauchen wir wirklich jeden. Es ist gut, wenn sich Katar oder die Türkei als Vermittler beteiligen.“ Was Katar betrifft: Renata Alt war jetzt die erste Bundestagsabgeordnete seit Oktober 2022, die das Land besucht hat. Und sie hat Erkenntnisse gewonnen, die nicht den gängigen Klischees entsprechen. „Katar hat viele Fortschritte gemacht“, sagt sie. „Man kann eben nicht immer nur kritisieren, ohne selbst dort gewesen zu sein.“ So habe Katar jetzt einen Mindestlohn eingeführt, und deutsche Staatsangehörige hätten ihr bestätigt, dass das Leben dort sehr sicher sei. Datenschutzstandards wiederum seien eine ganz andere Frage angesichts der vielen Überwachungskameras.
Für alle Länder gelte jedoch: „Wir müssen sie unterstützen in ihren Reformen. Dazu ist ein regelmäßiger Austausch wichtig. Wir müssen ihnen aber auch Zeit lassen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln.“ Das gehöre zum diplomatischen Handwerkszeug: „Es ist nicht immer hilfreich, alles ganz direkt anzugehen. Man muss die jeweiligen kulturellen Gepflogenheiten kennen, sonst sorgt man schnell für Irritationen.“
Vor westlicher Besserwisserei warnt sie schon aus einem ganz anderen Grund: Überheblichkeit sei in vielerlei Hinsicht längst nicht mehr am Platz. „In Deutschland müssen wir dringend unsere Infrastruktur verbessern. Auch in den USA ist die Infrastruktur vielfach marode. Katar oder der Oman sind da Vorreiter, an denen wir uns orientieren können.“
Eine besondere Bedeutung kommt ihrer Ansicht nach Ägypten zu: einerseits, weil sie im Sudan eine humanitäre Katastrophe heraufziehen sieht, andererseits, weil Ägypten auch im Hinblick auf den Gaza-Krieg wichtig sei für die Stabilität in der Region.
Und Russland? Dort sieht Renata Alt die Gefahr eines Neostalinismus, der in der jüngeren Generation weit verbreitet sei. Sie sieht aber im Moment niemanden, der auf Putin folgen könnte. Hier fürchtet sie eher, dass es eine Militärdiktatur geben würde – „und dann wird alles noch viel schlimmer“. Keine schönen Aussichten, aber ein wichtiger Auftrag: „Wir müssen alles dafür tun, dass die Ukraine sich auch weiterhin verteidigen kann.“