Migration
Diskussion über Migrations-Kurs: „Die Überlastung ist vorhanden“

Die Bundesregierung begründet die Zurückweisung Asylsuchender an den deutschen Außengrenzen nun auch mit der „Überlastung“ der Städte und Gemeinden. Was sagen die dazu?

Eine städtische Unterkunft in Kirchheim. Foto: Antje Dörr

Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, wird an den deutschen Außengrenzen verstärkt kontrolliert. Immer wieder werden Asylsuchende zurückgewiesen – eine Praxis, die in den Augen vieler gegen die Dublin-Verordnung der EU verstößt. Das Berliner Verwaltungsgericht hat einer somalischen Familie vorläufig recht gegeben, die gegen ihre Zurückweisung geklagt hatte. Allerdings ist Innenminister Alexander Dobrindt bisher nicht von seinem Kurs abgerückt. Begründet wird er unter anderem mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung, aber auch mit einer drohenden „Überlastung“ der Städte und Gemeinden, die die Geflüchteten während ihres Asylverfahrens beherbergen müssen.

Doch wie belastet sind die Kommunen rund um die Teck wirklich? Wir haben beispielhaft bei zwei Städten und einer Gemeinde nachgefragt.

Kirchheim

„Die Kommunen sind nicht nur gefühlt überlastet – sie sind es faktisch“, sagt Doreen Edel, Pressesprecherin der Stadt Kirchheim. Die Unterbringung Geflüchteter sei nur ein Teilaspekt. „Hinzu kommen zahlreiche Aufgaben, die vor Ort von den Städten übernommen werden müssen, beispielsweise im Bereich der sozialen Betreuung oder der aufenthaltsrechtlichen Zuständigkeit“. Für viele dieser Aufgaben sei Kirchheim weder personell noch finanziell ausreichend ausgestattet. Konkret zeige sich die Belastung unter anderem in der Arbeit der unteren Ausländerbehörde. „Wir können den gesetzlichen und eigenen Ansprüchen an Verfahrensdauer, Beratungspflichten und individuelle Begleitung zunehmend weniger gerecht werden, obwohl Kirchheim im kommunalen Vergleich nach wie vor verhältnismäßig gut dasteht“, so Edel.

Bei der Unterbringung geflüchteter Menschen gibt es in Kirchheim aktuell noch Kapazitäten. „Es ist jedoch unklar, ob Kirchheim die Unterbringungsquote für 2025 erfüllen kann“, sagt Doreen Edel mit Verweis darauf, dass der Landkreis der Stadt regelmäßig neue Asylbewerber zuweist. Es müsse regelmäßig zusätzlicher Wohnraum angemietet werden, um dieser Daueraufgabe nachzukommen. Kirchheim könne glücklicherweise auf ein sehr gutes ehrenamtliches Netzwerk und gut funktionierende Strukturen zurückgreifen, sagt Doreen Edel, und nennt beispielhaft den Arbeitskreis Asyl, die Sprachcafés, Elternmentoren, ehrenamtliche Dolmetscher und viele engagierte Einzelpersonen. „Dieses Engagement trägt maßgeblich dazu bei, dass Geflüchtete in Kirchheim gut ankommen und integriert werden können. Gleichzeitig gilt es, auch diese Strukturen nicht zu überfordern.“

Dettingen

„Die Überlastung ist vorhanden“, sagt Dorothee Schuster, Leiterin des Haupt- und Ordnungsamts der Gemeinde Dettingen. Durch die Unterbringung Geflüchteter – eine Pflichtaufgabe der Gemeinde – würden die Ressourcen an Wohnraum schnell aufgebraucht. Aktuell gelinge es noch, allen Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Die Gemeinde sei aber regelmäßig auf der Suche nach neuen Unterkünften. „Unsere kommunalen Einrichtungen für die Anschlussunterbringung sind überwiegend belegt. Wir verfügen nur noch über geringe Kapazitäten und betrachten die bisherigen Steigerungsraten bei der Unterbringung der Anzahl Geflüchteter mit großer Besorgnis, da wir davon ausgehen müssen, dass sich diese Steigerung überproportional fortsetzt“, so Schuster.

Insgesamt hätten die Kommunen durch die Unterbringung Geflüchteter zu viele Aufwendungen, sagt die Leiterin des Haupt- und Ordnungsamts. „Es wird zu viel kommunales Geld ausgegeben, das dann beispielsweise bei den Kitas, der Schule und der Straßen- und Gebäudeunterhaltung schmerzlich fehlt.“ Und es erfolge seit Jahren kein auch nur annähernd ausreichender staatlicher Ausgleich für diese Ausgaben der Kommune. Die Kapazitätsgrenze sei in allen öffentlichen Einrichtungen überschritten. Allerdings gelingt es in Dettingen aktuell, allen Kindern von Asylbewerbern Schul- und Kitaplätze anzubieten. Ehrenamtliche, die sich um Geflüchtete kümmerten, gebe es zu wenige. 

Weilheim

„Weilheim ist mit der Unterbringung Geflüchteter sehr stark belastet“, sagt Markus Oelschläger, Leiter des Amts für öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Weilheim. Die Unterbringung Geflüchteter binde seit 2015 umfangreiche Ressourcen für Einweisung, Verwaltung, Betreuung und Beratung. „Im Jahr 2025 sind noch Flüchtlinge von uns aufzunehmen, sodass die zur Verfügung stehenden Unterkünfte dann nahezu ausgeschöpft sein werden. Bei neuen Flüchtlingswellen mit höheren Zugangsraten, müssten die Tätigkeiten auf dem Immobilienmarkt verstärkt oder teure Miet-, - Kauf- oder gar bauliche Lösungen erwogen werden. Die allgemein sehr angespannte kommunale Finanzlage wäre dabei eine zusätzliche Erschwernis“, so Oelschläger.

Bei den Kita-Plätzen kommt Weilheim an seine Grenzen. „In den vergangenen Jahren wurden über zehn Millionen Euro in zusätzliche Kita-Plätze investiert“, sagt Markus Oelschläger. Dennoch seien derzeit alle verfügbaren Plätze verplant. „Auch hier würden neue Flüchtlingswellen mit höheren Zugangsraten von Kindern zu Problemstellungen führen“, so der Leiter des Amts für öffentliche Sicherheit und Ordnung. 

Um die Integration Geflüchteter kümmert sich in Weilheim das Integrationsmanagement, aber auch ein Kreis Ehrenamtlicher. „Ohne ehrenamtlich Tätige wäre vieles nicht möglich, sie leisten in verschiedenen Projekten großartige Arbeit“, sagt Markus Oelschläger und nennt beispielhaft die Fahrradwerkstatt und die Kleiderkammer. In anderen Bereichen wie der persönlichen Begleitung habe die Mithilfe seit 2015 aber rapide abgenommen, sodass seit Jahren verstärkt auf hauptamtliches Personal gesetzt werde.