Kirchheim
Drogenberatung: „Wir wollen Hilfen für Eltern erweitern“

Suchtprävention Die von der Bundesregierung geplante teilweise Legalisierung für den Erwerb von Cannabis hat auch Folgen für die Arbeit in den Beratungsstellen. Suchttherapeutin Renate Mahle erklärt, was sich ändern würde. Von Thomas Zapp

Gesundheitsminister Lauterbach will, dass Erwachsene künftig straffrei 20 Gramm Cannabis kaufen können: Welche Folgen hätte das für Ihre Beratungstätigkeit?

Renate Mahle: Da der Cannabiskonsum für die Jugendlichen weiterhin verboten ist, gehen wir davon aus, dass wir weiterhin wesentlicher Ansprechpartner für die Jugendlichen sind. Darüber hinaus werden wir auch unsere Unterstützungsangebote für Eltern sowie generell in der Aufklärung und Prävention anpassen und erweitern. Inwieweit es bei Erwachsenen zu einem veränderten Konsumverhalten kommt, bleibt abzuwarten. Womöglich ist durch die Legalisierung mit einem vermehrtem „Probierkonsum“ zu rechnen. Hier verhält es sich wie mit dem Alkohol: Ein gelegentlicher und verantwortungsbewusster Konsum führt nicht unweigerlich zu einer Abhängigkeitserkrankung.

 

Welche Unterschiede gibt es in der Suchtberatung zwischen Menschen mit einem Cannabis- und einem Alkoholproblem?

Mahle: Im Moment liegt ein wesentlicher Unterschied noch in der rechtlichen Einordnung. Ein junger Cannabiskonsument kommt in der Regel früher zu uns, weil er in erster Linie ein Problem mit der Justiz bekommen hat und nicht, weil er etwas an seinem Konsum ändern möchte. Die Beratung ist jedoch immer eine Gelegenheit den Konsum zu überdenken und eine Motivation für eine Veränderung aufzubauen. Für Jugendliche mit problematischem Alkoholkonsum gibt es ebenfalls Frühinterventionsangebote in der Beratungsstelle. Diese werden allerdings – wenn überhaupt – im Unterschied jedoch ausschließlich auf freiwilliger Basis angenommen.

 

Wenn die Justiz keine oder zumindest deutlich weniger Klienten zu Ihnen schickt: Wie erreichen Sie dann die Menschen? 

Wir haben bereits gute Kooperationen mit dem Sozialen Dienst, mit Einrichtungen der Jugendhilfe, mit Schulen und Ausbildungsbetrieben und der Führerscheinstelle im Landratsamt. Über diese Wege kommen derzeit schon Jugendliche zu uns und wir rechnen damit, dass nach einer Änderung der Gesetzeslage diese Kooperationspartner weiterhin besonders Jugendliche an uns vermitteln werden. Darüber hinaus plant die Beratungsstelle im kommenden Jahr eine offene Anlaufzeit für Jugendliche und junge Erwachsene anzubieten, in der sie sich unverbindlich beraten und aufklären lassen können. Zudem werden Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen für Multiplikatoren ausgebaut.

 

Sehen Sie die Gefahr, dass deutlich mehr junge Menschen Cannabis konsumieren würden oder „auf den Geschmack kämen?

Es hat sich in anderen Ländern gezeigt, dass es bei den jungen Menschen oft gar nicht zu einem Anstieg des Konsums kommt und wenn, dass das nur eine kurze Phase ist, nach der sich dann wieder ein Rückgang einstellt. In Ländern, in denen allerdings mit Cannabis offensiv geworben wird und der Handel völlig freigegeben ist, sieht das anders aus. In Deutschland soll die Werbung verboten sein, so dass ein möglicher Anstieg - nach den bisherigen Erfahrungen in anderen Ländern - nur vorübergehend zu erwarten ist.

 

Welche aus Ihrer täglichen Arbeit bekannten Probleme der Cannabis-Konsumenten würde das neue Gesetz lösen – und welche nicht?

Durch den kontrollierten Anbau und Vertrieb soll die Qualität des Cannabis, das konsumiert wird, verbessert werden. Derzeit wird auf dem „Schwarzmarkt“ viel „gestrecktes“ Cannabis gehandelt, das zu erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen und Schädigungen führen kann. Auch der Wirkstoffgehalt (THC) von Cannabis ist dort deutlich höher, als das Eckpunktepapier der Regierung vorsieht. Eine klare Angabe des Wirkstoffgehalts, wie beim Alkohol vorgeschrieben ist, kann helfen, die Dosierung besser einzuschätzen. Auch müssten Menschen, die Cannabis zu Genusszwecken konsumieren möchten, sich nicht mehr in kriminelle Kreise begeben. Der Kontakt zu Dealern auf dem Schwarzmarkt, so wie es bisher läuft, birgt immer auch die Gefahr, dass man sehr einfach Zugriff auf andere Substanzen erhält. Der geplante Verkauf durch lizensierte Abgabestellen würde dieses Risiko minimieren. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass Cannabis für Jugendliche weniger interessant wird. 

 

An wen können sich Eltern bei Fragestellungen rund um das Thema Cannabis wenden?

Die Beratungsstelle Sucht und Prävention veranstaltet in Kooperation mit der Beauftragten für Suchtprävention regelmäßig Elternabende. Diese sensibilisieren für das Thema, geben Informationen über Drogen und deren Auswirkungen sowie Anregungen für suchtpräventives Handeln. Die Beratungsstelle ist jetzt dabei, diese Angebote an die geplanten Veränderungen anzupassen. 

 

Hilfe für Betroffene und Angehörige gibt es im Kreis unter der Telefonnummer 0711/39 02 48 48 40 oder 
info@suchtundpraevention-es.de