„So langsam nervt’s gewaltig!“: Der Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg findet klare Worte zum E-Rezept, das seit Jahresbeginn Pflicht ist und das viele Apotheken, aber auch Arztpraxen nach wie vor auf Trab hält. „Es ist zum Verrücktwerden: Da stehen die Patienten in der Apotheke und brauchen ihr Medikament, und die Technik der Gematik verhindert, dass wir die entsprechenden E-Rezepte abrufen können. Und das in schöner Regelmäßigkeit“, ärgert sich Tatjana Zambo, Präsidentin des LAV. Die Patienten würden die Apotheke dann oft ärgerlich und in der Annahme verlassen, die Apotheke wäre Schuld an dem Problem. „Viele dieser Kundinnen und Kunden sehen wir nie wieder, weil sie meinen, ihre Apotheke arbeite unzuverlässig. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern ein effektiver Imageverlust und auch ein wirtschaftlicher Schaden für die einzelne Apotheke.“
Das Problem sind technische Ausfälle der sogenannten Telematikinfrastruktur, die für die Übermittlung der E-Rezepte von den Arztpraxen an die Apotheken sorgt. Die wiederholten Ausfälle belasten viele Apotheken, weshalb der LAV die Gematik als Betreiber dieser Technologie auffordert, eine verlässliche Stabilität herzustellen.
Hansjörg Egerer, Inhaber der Adler-Apotheke in Weilheim, kann bestätigen, dass ihm und seinem Team seit Jahresbeginn immer wieder technische Ausfälle den Arbeitsalltag erschweren. Die Folge: „Wir kommen in diesen Fällen nicht an die E-Rezepte ran. Der Patient muss deshalb später noch mal kommen. Das ist extrem unbefriedigend.“ Ein weiteres Problem sei, dass auch die Abrechnung nicht immer zuverlässig funktioniere. „Das sind alles Dinge, die unausgegoren und frustrierend sind“ – und die für viel zusätzliche Arbeit sorgen, ergänzt Egerer.
Schlecht am E-Rezept findet er außerdem, dass die Patientinnen und Patienten nicht mehr sehen, welche Medikamente sowie Dosierungen und Packungsgrößen der Arzt verordnet hat. „Früher konnte der Patient es noch in der Praxis korrigieren lassen, wenn etwas nicht passte.“ Die Apotheke aber habe keine Möglichkeit der Korrektur. Für den Patienten bedeute dies: Er muss zunächst unverrichteter Dinge wieder gehen und erneut mit der Arztpraxis Kontakt aufnehmen. „Das ist natürlich ärgerlich.“
Aus diesen Gründen ist das E-Rezept für Hansjörg Egerer „nur ganz bedingt ein Fortschritt“. Er kritisiert generell die große Technikabhängigkeit und, dass „die komplizierte Technik“ zuvor nicht ausführlich getestet worden sei. Seinen Kundinnen und Kunden will er indes ein Lob aussprechen: Das Gros sei sehr geduldig und trage es mit Fassung, wenn es zu Problemen mit dem E-Rezept kommt. Aber es gebe auch Patienten, die verärgert reagieren „und die es an uns festmachen, obwohl wir nichts dafür können“.
„Die meisten Kunden verstehen, dass es nicht an uns liegt“, betont Daniel Miller, Inhaber der Adler-Apotheke in Kirchheim. An und für sich bedeute das E-Rezept „eine Arbeitserleichterung, aber das System läuft noch zu instabil“. Wenn die Technik über zwei, drei Stunden nicht funktioniere, „gehen uns in dieser Zeit die E-Rezepte durch die Lappen“. Dann entstehe ein wirtschaftlicher Schaden. Solche Situationen habe es seit Jahresbeginn zweimal gegeben. Hinzu kommen immer wieder „relativ kurze“ Ausfälle der Technik.
Insgesamt hat sich Miller die Umstellung auf den 1. Januar 2024 schlimmer vorgestellt, räumt er ein. Wenn die Technik funktioniere, „ist das E-Rezept eine gute Sache“. Allerdings sei es vor allem anfangs vorgekommen, dass Kunden mit einem E-Rezept in der Apotheke standen, das der Arzt noch gar nicht freigegeben habe. Hinzu komme, dass vieles nicht durchdacht worden sei: So erhalte zum Beispiel ein Diabetiker Insulin über ein E-Rezept, Nadeln aber nicht. Für Letzteres „benötigt er ein normales Rezept wie früher“. Problematisch sei außerdem die Versorgung von Heimbewohnern. „Für die Heimversorgung gibt es noch keine richtige Lösung. Die Pflegeheime wurden völlig vergessen. Das verstehe ich nicht.“ Auch die Privatpatienten seien noch nicht miteinbezogen.
Miller will jedoch nicht klagen: Das E-Rezept sei der richtige Weg und biete Vorteile. Allerdings müsse das System besser laufen, und man hätte die Menschen im Vorfeld über das Thema informieren sollen. Viele – vor allem ältere Kunden - seien nach wie vor verunsichert.
„Das E-Rezept vereinfacht vieles“
Von Ausfällen der Technik seit Jahresbeginn berichtet auch Marco Junghans, Filialleiter der Schneider-Apotheke in Kirchheim: Dies sei aber nur zwei-, dreimal passiert und habe jeweils maximal eine Stunde gedauert. Es könne auch vorkommen, dass die Telekommunikationsbox in der Apotheke abstürzt. „Wenn man den Stecker zieht und wieder einsteckt, bootet sie neu und funktioniert wieder“, erklärt Junghans. Das komme aber nicht oft vor. „Ansonsten funktioniert alles reibungslos.“
Junghans ist ein großer Befürworter des E-Rezepts, weil es vieles vereinfache. Beispielsweise spare man sich bei einer Dauermedikation den Weg zum Arzt: Das Medikament könne man beim Arzt anfordern, der das E-Rezept erstellt. „Nach ein paar Stunden ist es auf der Versichertenkarte - und man kann in die Apotheke gehen und das Medikament abholen.“
Mit einer speziellen App auf dem Smartphone könne man die Rezeptdaten einsehen – sprich: Welches Medikament wurde verordnet sowie welche Dosierung und Packungsgröße. „Für die App muss man bei der Krankenkasse eine Pin anfordern. Sobald das E-Rezept hochgeladen wurde, sieht man, was verschrieben wurde.“ Vom Handy aus könne man dann das Rezept an eine Apotheke seiner Wahl weiterleiten. Sollte das Medikament nicht vorrätig sein, kann es die Apotheke bestellen. hei