In ihrer langjährigen politischen Laufbahn hatte es für die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin schon so manche herausragende Amtsbezeichnung und stilvolle Ehrentitel gegeben, erläuterte Tonja Brinks, Vorsitzende der SPD- Ortsvereins
in ihrem Grußwort. Doch die schwäbische Bezeichnung „Schwertgosch“ für Herta Däubler-Gmelins schlagfertige zugespitzten Aussagen wollte sie den Gästen nicht vorenthalten. Der Gastrednerin gefiel das: Für sie selbst sei das eine ganz besondere Ehrenbezeugung, die ihr immer gut gefallen habe und zu der sie immer gestanden habe, erklärte Herta Däubler-Gmelin.
Die mittlerweile 79-Jährige steht in einer langen Reihe prominenter Rednerinnen und Redner, die zu Neujahrsempfängen der SPD in Kirchheim referiert haben. Zum diesjährigen dreißigsten Jubiläum im Saal des Feuerwehrmagazins in der Henriettenstraße wählte sie das Thema „Gute Nachbarschaft- nach Innen und Außen“, nach einem Zitat aus der Regierungserklärung von Willy Brandt aus dem Jahr 1969, aber mit einem aktuellen Bezug, wie sie sagte.
Zunächst sei es einmal ein Motto, das harmonisch und gefällig daherkomme und damals wie heute eine Umbruchszeit kennzeichnete. Inzwischen habe die Gesellschaft ungeahnte schwere Krisen zu bewältigen. Inflation, Energiekrise, Klimakrise, ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg bis hin zu persönlichen Existenzängsten, die eine Nachkriegsordnung bedrohten und die Wirtschaft und Politik zu einer Neuausrichtung zwangen, seien die drängenden Themen der Zeit. Zunächst sei bei der Klimakrise, die immer noch nicht ernst genug genommen werde, schnelles Handeln gefragt. Es brächte nichts, junge Leute, die dafür kämpften. als Ökoterroristen zu beschimpfen. Ein sinnvoller Diskurs darüber müsse her, schon allein deshalb, weil die Klimakrise die nächste Krise befeuerte.
Die Flüchtlingszahlen stiegen weiter an, weil verödete Felder in Afrika und Überschwemmungen in Pakistan den Menschen keine andere Wahl ließ als zu gehen, sagte sie. Wiederum gehörte es sich nicht, dass die Kommunen hier mit diesen Herausforderungen allein gelassen würden und appellierte an die Landespolitik und den anwesenden Amtsträgern zu helfen, bürokratische Hürden abzubauen. Vielleicht komme das Motto zu naiv daher und sei eine Illusion? Was sie gleich drauf verneinte, denn der selbstlose Einsatz vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, bei dem schweren Erdbeben in der Türkei oder bei der Bewältigung der Flüchtlinge aus der Ukraine hätte gezeigt, dass es den Menschen nicht egal sei, wie es den Anderen gehe. Jeden Tag bewiesen sie mit Spenden, in Einrichtungen wie der Vesperkirche oder bei den Tafeln, dass ihnen das Gemeinwohl am Herzen liege.
Die alles entscheidende Frage sei, wie es „uns allen“ gehe, um ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Die Covidkrise habe sich bewältigen lassen durch das hohe Engagement in sozialen und pflegenden Einrichtungen. Sowas mache Mut und mit den gewonnenen Erfahrungen sei man gut gerüstet für weitere entsprechende Schreckensszenarien. Was sie ratlos zurückgelassen habe, war die unermessliche Gier Einzelner, die die Krise für sich ausnutzten und davon profitierten. Inzwischen griff nicht nur eine Spaltung von arm und reich um sich, sondern auch eine Spaltung in der Nutzung von Informationen, wie an Gruppierungen der Reichsbürger, Querdenker oder vielen anderen sichtbar würde.
Und wie Umgehen mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins, der jetzt fast ein Jahr dauerte? Die einseitig geführte Diskussion in der Öffentlichkeit, die Ukraine mit Waffen zu beliefern sah sie kritisch. „Das Hinwirken auf Verhandlungen ist wichtig“, das habe man in der Öffentlichkeit gar nicht mehr auf dem Schirm, meinte sie. „Waffen verteidigen nicht nur, Waffen töten Menschen und bringen Hass und Leid“, deshalb könne man nicht noch mehr Panzer liefern, sondern sei man besser beraten, sich auf Verhandlungen vorzubereiten. Denn was ein Stellungskrieg bedeutete, habe die Geschichte gezeigt. Ihr Appell: „Machen wir uns auf, raus aus der Komfortzone“ und streben nach guter Nachbarschaft, die es nicht gratis gibt.