Deutscher Kinostart des Dokumentarfilms „The Whale and the Raven“, also „Der Wal und der Rabe”, ist am 5. September. Am Ende des Films stellt die Kirchheimer Filmemacherin Mirjam Leuze eine provokante Frage: „Vielleicht gibt es außer uns Menschen noch andere hochintelligente Wesen auf diesem Planeten?“ Bei der Vorabpremiere im Kirchheimer Kino Central stellten sich Mirjam Leuze und die Cutterin Sandra Brandl den Fragen der Zuschauer. Eingeladen hatte das „Forum 2030“, für die Moderation sorgte Willi Kamp- hausen.
Mirjam Leuze, Jahrgang 1964, ist Kirchheimerin, hat in Köln Ethnologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft studiert. Die Feldforschung führte sie für längere Zeit in Dörfer in Kirgisistan. In Peru und den USA hat sie sich mit den ökologischen und sozialen Auswirkungen von Goldminen befasst. Im Jahr 2002 besuchte sie das erste Mal die Walforscher Janie Wray und Hermann Meuter, in Kanada, British Columbia. Nichtsahnend saß sie am Meer. „Da gab es gefühlte zehn Meter von mir entfernt einen lauten ,Blow‘“, erzählte sie, ein Wal war ihr im tiefen Fjord sehr nahe gekommen. „Da passiert etwas mit einem. Das Erlebnis hat mich sehr demütig gemacht. Ich habe verstanden, dass wir nicht die Einzigen sind, die diesen Planeten bevölkern. Damals habe ich aber nicht daran gedacht, darüber einen Film zu machen.“
2006 kam die Nachricht, dass dort eine Öltankerroute geplant war. Die ganze Region geriet in Aufruhr, in einem zehnjährigen Kampf wurde das Projekt abgewendet, die Gerichtsverfahren hinterließen bei den Ureinwohnern hohe Schulden. Dann kam die Gasindustrie, nun sollen zwei Schiffe pro Tag dort Gas transportieren. Die Auswirkungen auf die Wale, durch Lärm und Kollisionen, müssen noch erforscht werden. Doch es gibt Verträge mit der Industrie und der Provinzregierung. „Die Produktion des Films war deshalb ein diplomatischer Eiertanz“, sagt Mirjam Leuze. „Wir haben 18 Monate lang verhandelt.“ Ein Team aus dem Dorf hat den Rohschnitt begutachtet.
Mirjam Leuze ist für den Film dreimal für lange Zeit nach British Columbia gereist. Einmal reiste auch Sandra Brandl hin. Sie war erstaunt, wie groß die Entfernungen sind, dass das Wetter mitspielen muss, damit man überhaupt auf die Inseln kommt. „Wir haben an dem Film fast ein Jahr geschnitten.“ Nach „Flowers of Freedom“ ist dies der zweite Film gemeinsam mit Mirjam Leuze, die 2010 die eigene Filmproduktion TOPOS-Film gegründet hat.
Wie das mit dem Blasennetzfischen der Wale gehe, fragte ein Zuschauer nach. Das ist eine Fangtechnik, die es nur an diesem Küstenabschnitt gibt. Eine Gruppe von Buckelwalen kooperiert, ein Wal paralysiert die Heringe mit einem bestimmten Ton und produziert in einem Kreis Blasen, die anderen kommen von unten hoch und fressen. „Das ist eine Kulturtechnik. Wer sich als neuer Wal ein- oder zweimal dumm anstellt, darf nicht mehr mitmachen.“
Was sie mehr beeindruckt habe, fragte ein Zuschauer die Filmemacherin, Orcas oder Buckelwale. „Mich haben die Buckelwale mehr beeindruckt, trotz der ausgefeilteren Dialekte der Orcas.“ Sie habe die Töne der Buckelwale im Felsen spüren können. Die Orcas seien das ganze Jahr über da, die Buckelwale kommen im April von Hawaii und Mexiko her und bleiben den Sommer über. Die Buckelwale haben in den letzten Jahren stark zugenommen, haben aber wohl nun ihre Futtergrenze erreicht. Die Orcas ernähren sich von Lachs, Lachsfarmen gefährden die Wildlachsbestände.
Ein Zuschauer lobte angesichts der hoch komplexen Problematik die „ganz große Ehrlichkeit“ des Films, ohne Klischees von guten Indigenen und hilfreichen Weißen. Die Ureinwohner sind sich beim Gastransport nicht einig, aber darüber darf öffentlich nicht geredet werden. „Es herrscht ein ganz großes Schweigen“, sagte Mirjam Leuze.
Wie kam es zum Filmtitel? Der Wal und der Rabe sind die Adoptivnamen der beiden Forscher, mit denen sie in den einheimischen Clan aufgenommen wurden. Und was tun nach dem Film? Sandra Brandl ermutigte zu kleinen Schritten: „Vielleicht ist ein Kreuzfahrturlaub keine gute Idee.“ Mirjam Leuze ermunterte zum Verzicht auf Plastikflaschen, zu Demos und zur Unterzeichnung der Petition für den Artenschutz im Grundgesetz. Sie betonte: „Es fängt bei einer anderen Haltung an, die mitfühlend sein muss gegenüber allen Lebewesen auf der Welt.“