Musik
Ein barocker Superstar kommt an

Mit „Concerto imperiale“ erlebten die Besucherinnen und Besucher eine Zeitreise an den Hof Ludwigs des XIV.

Das Ensemble „Concerto Imperiale“ begeisterte mit seiner präzisen Spielweise im Kirchheimer Schloss. Foto: Winfried Müller

Kirchheim. Würde der Sonnenkönig heute leben und residieren, hätte er bestimmt unzählige „Follower“, allein schon wegen seines exaltierten Lebensstils. Dazu gehörte auch das „Versammeln“ der berühmtesten Künstler der Zeit an seinem Hof in Versailles. Dichter, Tänzer, Schauspieler, Sänger und Komponisten gaben sich die Ehre und machten die Residenz zu einer Hochburg der Künste.

Mit der Musik des Komponisten François Couperin war beim Konzert im Kirchheimer Schloss einer der damaligen barocken Superstars zu hören. Völlig zu Recht hatte der Spross einer weit verzweigten Musikerdynastie den Ehrentitel „Le Grand“ erhalten. Sein Ruhm gründete besonders auf seine überragenden Spielfähigkeiten auf dem Cembalo. Er war aber auch als Lehrer in Adelskreisen geschätzt und komponierte zahlreiche kammermusikalische Werke.

Bei den ausgewiesenen Spezialistinnen und Spezialisten für barocke Musik und Spielweisen, dem Ensemble „Concerto Imperiale“, lag die Aufführung dieser prachtvollen Musik in besten Händen. Bernhard Moosbauer, Violinist und Spiritus Rector, hatte mit Susanne Zippe an der Barockvioline, Ulrich Schneider am Barockvioloncello sowie Peter Kranefoed am Cembalo hervorragende Kammermusikpartner um sich versammelt. Im musikalischen Zentrum des Abends standen zwei Werke aus der 1726 erschienenen Sammlung „Les Nations“. In diesen verfolgte Couperin das Ziel, die beiden maßgeblichen musikalischen Kompositionsstile der Zeit, den italienischen und den französischen quasi als „Crossover“ zu verbinden. Das brachte eine ungeheure Vielfalt an Formen mit sich, kombiniert er doch in den „Nations“ langsame mit schnellen, fugierten Sätzen mit beschwingten Tanzsätzen der Suite oder Variationen über einer Basslinie, der Chaconne. Schon mit den ersten ätherischen, beinahe fragilen Klängen wurde die Zuhörerschaft in den besonderen Klangzauber des Barocks entführt. Den ganzen Klangkosmos brachten die Musiker mit stupender Technik und lupenreiner Intonation, verbunden mit einer lebendig dynamischen Spielfreude zum Klingen. Das Zusammenspiel war traumwandlerisch sicher, auch bei den sehr raschen Sätzen. Imitatorisch warfen sich die beiden Violinen immer wieder die Bälle ausgewogen zu, präzise intoniert und mit sprechender Agogik von Susanne Zippe und Bernhard Moosbauer musiziert. Ulrich Schneider verlieh der Cellopartie eine kraftvolle, aber auch agile Statur. Die immensen spielerischen Anforderungen meisterte er, wie die übrigen Mitwirkenden, hervorragend.

Smalltalk und Gerüchte

Da muss der König auch einen sehr guten Cellisten gehabt haben, der über eine herkömmliche Bassgrundierung im sogenannten Generalbass hinaus weit in solistische, virtuose Gefilde vordringen konnte. Peter Kranefoed am Cembalo füllte seinen Part als rhythmische und klangliche Basis souverän aus, gestaltete die Noten immer wieder auch individuell aus. Schade, dass von Couperin kein Werk für Cembalo solo erklang.

„Geerdet“ wurde die Musik zwischendurch mit einer „Stimme aus dem Volk“, mit Auszügen aus dem Werk des Schriftstellers Louis-Sebastien Merciers „Mein Paris“. Bernhard Moosbauer versah die Zeilen des scharfsinnigen, spöttischen Beobachters mit leiser Ironie. Die Themen wirken nahezu zeitlos. Klatsch, Smalltalk und Gerüchte dominierten in der vornehmen Gesellschaft. Wie ein moderner Großstadtmoloch schlief auch die Metropole Paris praktisch nie, machten doch nach Mitternacht bereits wieder die ersten Lieferanten die Runde.

Die über 1000 Seiten beschreiben das Alltagsleben in der gro­ßen Stadt, bei dem Lärm, Schmutz, Verbrechen stetig zunahmen und mancher „Galgenvogel“ sich mutmaßlich größerer Beliebtheit erfreute als der Dichter Voltaire. Ein beschwingtes Menuett beschloss dann – wieder standesgemäß – die Suite aus „Les Nations“ mit Klängen, die vor mehr als 300 Jahren nur vor den Ohren des Königs erklangen. Warmer Applaus belohnte die königliche Musik und die meisterhaften Interpretinnen und Interpreten.