Kirchheim
Ein BDS-Empfang, der unter die Haut ging

Wirtschaft Beim BDS-Herbstempfang präsentierte sich ein rasant wachsendes Unternehmen. Außerdem gab es eine Entwarnung und eine lästige Ankündigung. Von Peter Dietrich

Parallel zum Herbstempfang des Bunds der Selbständigen (BDS) im Henninger-Saal der Kreissparkasse Kirchheim fand in Stuttgart der Landespresseball statt. Das, räumten die beiden BDS-Vorsitzenden Julian Feinauer und Alexander Schierle ein, habe den BDS einige Honoratioren gekostet. Diese versäumten in Kirchheim einen Vortrag, der im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut ging. Mit der PolyMedics Innovations GmbH präsentierte sich ein rasant wachsendes Unternehmen, das sich ganz frisch in Kirchheim angesiedelt und der medizinischen Versorgung schwer heilbarer Wunden verschrieben hat. Waren es im Vorjahr noch 40 Mitarbeiter, sind es aktuell bereits 65 – davon 45 in Deutschland und 20 in den USA. In den nächsten zehn Jahren will das Unternehmen seinen Umsatz verzehnfachen, auf dann über 100 Millionen Euro im Jahr. „Wir fühlen uns wohl“, sagte der Geschäftsführer Professor Dr. Heinrich Planck und dankte der Stadt Kirchheim für die Hilfe bei der Ansiedlung und auch bei der Grundstückssuche. Das 2001 gegründete Unternehmen hatte zuerst gar nicht in Kirchheim gesucht. Doch dann hatte sich unter anderem die Wirtschaftsförderin der Stadt, Saskia Klinger, mächtig ins Zeug gelegt.

 

Jetzt bin ich gespannt, ob ich nächstes Jahr wieder eingeladen werde.
Pascal Bader, Kirchheimer Oberbürgermeister, angesichts der angekündigten Erhöhung der Gewerbesteuer.
 

„Es spricht inzwischen viel dagegen, in Deutschland zu bauen“, sagte Christian Planck, ebenfalls Geschäftsführer. „Wir entwickeln hier, aber sobald wir einen Prototyp haben, gehen wir in die USA.“ Zu hoch seien die hiesigen Hürden, etwa bei Tests und Zulassungen. Es könne sein, dass ein Produkt einem Patienten mit Verbrennungen nachweislich helfe – aber im ambulanten Einsatz nicht erstattet werde, erst im Krankenhaus. Obwohl die Firma 60 bis 70 Prozent ihres Umsatzes in den USA macht und aktuell in 40 Ländern vertreibt, hat sie sich beim neuen Hauptsitz für Kirchheim entschieden. „Wir wollen, dass unsere Kinder hier aufwachsen“, sagte Christian Planck.

Was Kirchheimer Firmengründungen angeht, hatte Saskia Klinger gute Nachrichten: Sie stiegen wieder, im laufenden Jahr habe es bereits 323 Gründungen gegeben. „Wenn Sie ungenutzte Flächen haben, geben Sie uns Bescheid, wir versuchen zu matchen.“ Das klappe mehrmals im Jahr. Neu gebe es ab Frühjahr 2024 für Neugründer einen Mietzuschuss von bis zu 250 Euro im Monat.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei gar nicht so schlecht, sagte Oberbürgermeister Pascal Bader, sie werde auch schlechtgeredet. Trotzdem gebe es einiges zu tun, etwa beim Bürokratieabbau. Die Bürokratie bedrücke die Kommunen genauso wie die Unternehmen, etwa beim Brandschutz: „Sind wir da über das Ziel hinausgeschossen?“, fragte Bader.

Weniger unbesetzte Stellen

Der Kirchheimer Oberbürgermeister unternahm eine kleine Tour durch das, was die Stadt aktuell beschäftigt. Dazu gehören zwei Kita-Neubauten für zusammen rund 15 Millionen Euro. Ein Lohn der vielen Bemühungen, die Bedingungen für die Kirchheimer Kita-Fachkräfte zu verbessern: Derzeit seien insgesamt nur sechs oder sieben Stellen unbesetzt. Sorgen mache ihm aber das Personal für die Betreuung an den Schulen: „Wir wollen es nicht wieder von den Kitas abziehen.“ Für die rund 20 Millionen Euro teure Sanierung des Ludwig-Uhland-Gymnasiums (LUG) kündigte Bader an, von den Nachbarkommunen rund 8,5 Millionen Euro Beteiligung einzufordern. „Aber es müssen nicht die Eltern aus anderen Kommunen dafür zahlen, dass ihre Kinder aufs LUG gehen“, gab er angesichts derartiger Gerüchte eine klare Entwarnung.

Die Stadt Kirchheim muss Geflüchtete unterbringen und Brücken sanieren. Sie will in Nabern, der Innenstadt, auf dem Schafhof und im Gewerbegebiet zwischen Bosch- und Hegelstraße Nahwärmenetze untersuchen und ins Gewerbegebiet Bohnau Süd rund 25 Millionen Euro investieren. Straßen, Turnhallen und Verwaltungsgebäude warten auf die Sanierung. Das alles kostet, doch die Einnahmen sind konstant geblieben. So kündigte Pascal Bader an, die Gewerbesteuer von 380 auf 400 Punkte erhöhen zu wollen. Er sprach es, um zugleich mit Humor anzufügen: „Jetzt bin ich gespannt, ob ich nächstes Jahr wieder eingeladen werde.“