Kirchheim. Mit gleich vier Werken ist André Bucher im Rahmen des Kirchheimer Kunstwegs präsent. 1924 in Mosambik geboren, begegnete Bucher schon in jungen Jahren Größen wie Giacometti, Macke oder Jawlensky. Nicht zuletzt war es Marino Marini, dessen Werk ihn tief beeindruckte.
Studien führten den angehenden Bildhauer nach Zürich, Paris, London und Berlin. Heute befinden sich seine Arbeiten in den wichtigsten Museen, Stiftungen und privaten Sammlungen der Schweiz sowie in Deutschland, Österreich, Belgien und Holland. Buchers Skulpturen waren in zahlreichen Einzelausstellungen in aller Welt zu sehen.
Knapp 100 seiner Werke stehen im öffentlichen Raum – nicht nur in der Schweiz und in Deutschland, auch in Japan, Israel, Frankreich und Italien. 2009 ist André Bucher in seiner Heimatstadt Genf verstorben.
Atelier am Krater des Vulkans
Das Jahr 1976 markiert eine Zäsur in Buchers Schaffen. In der Lava begegnet er seinem künstlerischen Ideal. Aus Vulkanologen und Künstlern stellt Bucher eine Expedition zum Ätna zusammen. Im Schutzanzug entnimmt er den Lavaströmen flüssiges Gestein, das er gleich vor Ort bearbeitet. Spezielle Gussformen hatte er dafür im Genfer Atelier eigens vorbereitet. Bucher dürfte wohl der erste Künstler gewesen sein, der am Krater eines aktiven Vulkans ein Atelier unterhielt. Lava galt Bucher als die bildhauerische Urmaterie schlechthin. Nichts lag ihm ferner, als der Lava fiktive Formen aufzuzwingen. Vielmehr wollte er das aus dem Feuer geborene Gestein wesenhaft in Erscheinung treten lassen.
Sein 1981 entstandener „Atlas“ am Kirchheimer Krautmarkt repräsentiert Buchers Lava-Ästhetik in formvollendeter Reduktion. Der mythologische Bezug ist für Buchers Handschrift ebenso charakteristisch wie die spannungsvolle Kombination mit anderen Materialien, hier mit Inox-Stahl. Aus demselben rostfreien Edelstahl ist der Kirchheimer Postplatz-Brunnen gefertigt. Für Buchers konstruktivistische Formensprache bietet er ein anschauliches Beispiel. Ebenso für dessen Vermögen, in künstlerischen Dialog mit den Proportionen der umgebenden Architektur zu treten. Bronzefiguren greifen Themen des regionalen Sagenkreises auf. Sein Lokalkolorit hat dem 1985 entstandenen Brunnen Akzeptanz und Sympathie verschafft. Ästhetisch betrachtet sind die putzigen Wasserspeier eher Zierrat.
Wer hingegen „Bucher pur“ sehen möchte, kann sich zur Ötlinger Eduard-Mörike-Halle begeben. Raumgreifend setzen dort die beiden rot lackierten Stahlskulpturen „Gegensätze“ und „Gegenüberstellung“ geometrische Grundformen in Szene. Den Betrachtern eröffnen die übermannshohen, ebenfalls 1985 gefertigten Werke neue Erfahrungen im Zusammenspiel von Raum, Form und Dynamik. Potenzial, im kommenden Jahr den 100. Geburtstag Buchers auch in Kirchheim zu begehen, ist also reichlich vorhanden. Florian Stegmaier