Bis Anna elf Jahre alt war, war die Welt der Familie Penzoldt ziemlich in Ordnung. Ein Kind großzuziehen, das als Frühchen mit einem Herzfehler, mit Down-Syndrom und einer Autismus-Spektrum-Störung auf die Welt gekommen ist, ist zwar auch schon herausfordernd genug, doch die Familie hatte sich damit arrangiert. Anna ging zur Schule, ihre Mutter konnte arbeiten gehen. 2018 jedoch erhielt das Mädchen eine Diagnose, die die Familie völlig aus der Bahn warf: Diabetes Typ 1.
Ab sofort benötigte die Elfjährige mehrmals am Tag Insulin, anfangs noch mit Spritzen, später über eine Patch-Insulinpumpe. Was bei gesunden Kindern schwierig genug ist, ist bei Anna, die in vielen Entwicklungsbereichen auf dem Stand eines Kleinkinds ist, eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Anfangs habe sie sich sehr gegen die lebensnotwendigen Injektionen gewehrt, erzählt ihre Mutter und berichtet von vielen schlaflosen Nächten. „Bis heute reißt sie sich immer wieder den Insulin-Pod oder den Blutzuckersensor ab“, sagt Monika Schäfer-Penzoldt. Dann muss schnell reagiert werden, um eine lebensbedrohliche Situation zu verhindern.
Auch Annas schulische Strukturen brachen mit der Diagnose Diabetes Typ 1 erst einmal komplett zusammen. Bisher hatte das Mädchen die Außenklasse einer Sonderschule (SBBZ) besucht. Das ging auf einmal nicht mehr, weil es dort keine Krankenschwester gab und weil sich die Beihilfe der privaten Krankenversicherung weigerte, sich an den Kosten einer Eingliederungshilfe zu beteiligen. Mittlerweile gibt es eine Lösung, denn glücklicherweise sei die Stadt Stuttgart in die Bresche gesprungen und habe eine Eingliederungshilfe bewilligt, erzählt die Mutter. Für die Schule findet sie viele lobende Worte. „Anna hat eine ganz tolle Lehrerin“, sagt Monika Schäfer-Penzoldt. Seit einer Schulung durch das Rems-Murr-Klinikum sei diese in der Lage, die Blutzuckerwerte zusammen mit der Schulbegleiterin, die ebenfalls sehr engagiert sei, zu überwachen und die nötigen Insulinmengen über die Pumpe abzugeben. Doch Anna kann nicht mehr im selben Umfang betreut werden wie vor der Diagnose. „Bei der Nachmittagsbetreuung kann sie nicht dabei sein, weil keine Krankenschwester da ist“, sagt die Mutter. Aktuell muss das heute 16-jährige Mädchen immer wieder zu Hause bleiben, wenn ihre Sicherheit aufgrund krankheitsbedingter Personalausfälle nicht gewährleistet ist.
Ganz aus dem Schneider ist Annas Mutter nie, denn die exakte Dosierung des Insulins ist etwas, das nur sie beherrscht. Das Wechseln des Insulin-Pods oder des Blutzuckersensors darf die Krankenschwester der Schule nicht übernehmen. Falls ein solcher Wechsel während der Schulzeit notwendig wird oder der Blutzucker gefährlich hoch oder niedrig ist, muss Monika Schäfer-Penzoldt daher sofort zu ihrer Tochter eilen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Immer auf Abruf zu sein, empfindet sie als sehr belastend – und es habe im Endeffekt dazu geführt, dass sie ihren Job aufgeben musste.
Als besonders schlimm hat Monika Schäfer-Penzoldt die Corona-Pandemie in Erinnerung. Aufgrund der Dauerbelastung, die Annas Betreuung mit sich brachte, war sie völlig erschöpft, ihre chronische Migräne verstärkte sich. „Damals sind ja für alle Kinder Betreuungsmöglichkeiten weggefallen, aber bei so einem Kind ist das noch viel heftiger“, sagt Bettina Betzner von der Katholischen Familienpflege. Die Organisation unterstützt Familien in herausfordernden Situationen, denen diese Hilfe per Rezept verschrieben wird. Sie verfügt aber auch über einen Fonds, um Familien wie den Penzoldts, „die durch alle Raster fallen“, schnell und unbürokratisch helfen zu können. Für dieses Projekt, das den Titel „Familien in Not“ trägt, erhält die Familienpflege Geld von der Teckboten-Weihnachtsaktion.„Diese Verlässlichkeit, diese Menschlichkeit, diese unbürokratische Hilfe tat so gut“, sagt Monika Schäfer-Penzoldt, die die Mitarbeiterinnen der Katholischen Familienpflege als ihre „Engel“ bezeichnet.
In ihrem Fall hieß der „Engel“ Annemarie Clauss. Die Familienpflegerin war während der Corona-Pandemie monatelang bei der Familie, unterstützte im Haushalt und betreute Anna, sodass die Mutter zwischendurch mal durchatmen, Schlaf nachholen oder die niemals endenden Berge von Papierkram abarbeiten konnte. Die Familienpflegerin, die noch heute regelmäßig in der Familie ist, hat während der Corona-Pandemie damit begonnen, Anna am Kochen und Backen zu beteiligen. „Am Ende konnte sie Käse reiben und Kartoffeln schälen“, sagt Clauss anerkennend. „Anna liebt es, wenn sie selbstwirksam sein kann und gelobt wird“, ergänzt ihre Mutter. Das Spülmaschine-Ausräumen klappt manchmal, aber manchmal hat Anna – wie ein gesundes Kind – auch keine Lust. Teilweise ist sie auch zu müde, was auf Unterzucker hindeuten kann. „Das habe ich aber mittlerweile gut im Griff“, sagt Annemarie Clauss, die auch die Insulinpumpe bedienen kann. Die Familienpflegerin macht außerdem mit Anna Musik, spielt mit ihr mit Bildkarten „Schule“, um sie zum Sprechen zu animieren, oder lässt sie auch mal eine Runde malen. „Mir ist wichtig, dass Anna sich zwischendurch immer wieder alleine beschäftig“, sagt Annemarie Clauss.
Dass das Mädchen die Familienpflegerin so gern hat, ist für die Mutter ein riesiger Glücksfall. „Aufgrund ihres Autismus kann sie nicht mit jedem“, sagt sie. Der Katholischen Familienpflege ist sie unendlich dankbar. „Hier wird die christliche Botschaft gelebt“, sagt sie.
Die drei Projekte der 44. Weihnachtsaktion
Die Heinrich-Sanwald-Stiftung bietet einen Besuchsdienst für Menschen in Kirchheimer Pflegeeinrichtungen an. Dabei gibt es zahlreiche Angebote für die Senioren: von Gartenkonzerten über gemeinsames Pizzabacken und Computer-Kurse bis hin zu Ausflügen mit Rikschas. Es geht darum, dass die Senioren persönliche Kontakte knüpfen und außerhalb des Heims am sozialen Leben teilhaben können. Den Menschen wird Zeit geschenkt, was eine große Bereicherung ihres Alltags und eine Steigerung der Lebensqualität darstellt.
„Familien in Not“ heißt das Herzensprojekt der Katholischen Familienpflege Esslingen-Nürtingen, die auch in der Kirchheimer Region engagiert ist. Unterstützt werden Familien, denen durch einen Schicksalsschlag wie Tod, Krankheit oder Trennung der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Fachkräfte der Familienpflege leisten für die betroffenen Familien in deren gewohnter Umgebung Hilfe im Alltag, kümmern sich um die Kinder, geben Halt und Geborgenheit. Die Unterstützung soll entlasten und die Lebenssituation qualitativ verbessern.
Der häusliche Kinder- und Jugend-Hospizdienst Kirchheim begleitet Kinder und Jugendliche mit lebensbedrohlicher oder -verkürzender Erkrankung sowie deren Geschwisterkinder und Eltern. Aber auch wenn ein Elternteil schwer erkrankt ist und die Kinder Abschied nehmen müssen oder wenn sie den Verlust eines Angehörigen oder nahestehenden Menschen erleben müssen, besuchen die Patinnen und Paten die Familien zu Hause. Getragen wird der Dienst von den Maltesern und der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Kirchheim. tb
Spendenkonten der Teckboten-Weihnachtsaktion
Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen
IBAN: DE35 6115 0020 0048 3333 44
BIC: ESSLDE66XXX
Volksbank Mittlerer Neckar
IBAN: DE66 6129 0120 0304 7770 05
BIC: GENODES1NUE