Kirchheim. Nach insgesamt 24 Jahren ist Christoph Miller aus dem Kirchheimer Gemeinderat ausgeschieden. Oberbürgermeister Pascal Bader rechnete zum Abschied vor, dass Christoph Miller 288 Monate und 27 Tage Mitglied im Ratsgremium war. Drei Oberbürgermeister und eine Oberbürgermeisterin habe er in dieser Zeit erlebt. Über viele Jahre hinweg sei er als erster ehrenamtlicher Stellvertreter der Oberbürgermeister stets ein zuverlässiger Partner gewesen. Sozialpolitik, Kultur sowie der Umwelt- und Naturschutz seien besonders wichtige Themen für ihn gewesen. Außer im Gemeinderat habe er sich auch als Vorsitzender des Freundeskreises des Henriettenstifts sowie als stellvertretender Vorsitzender des Verschönerungsvereins engagiert.
Ganz weit oben in der Wählergunst
Christoph Miller sei mehrfacher Stimmenkönig seiner Fraktion, der Freien Wähler, gewesen. 2019 habe er die zweithöchste Stimmenzahl aller Gemeinderatskandidaten für sich verbuchen können. Zum Abschied und zu den Gründen für den Abschied sagte der Oberbürgermeister: „Mit 76 Jahren und nach 24 Jahren im Gremium darf man sich ruhigen Gewissens auch auf Dinge außerhalb des Gemeinderats konzentrieren.“
Bettina Schmauder, seit 2022 Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, bezeichnete ihren Vorgänger als Inbegriff des Gentleman. Was einen solchen auszeichne, seien nach Definition des Lexikons Souveränität, Empathie, Taktgefühl, Verantwortungsbewusstsein, Benehmen, Humor und Gelassenheit. Mit diesen Tugenden habe Christoph Miller – ein profunder Kenner Kirchheims sowie der Flora und Fauna in und um Kirchheim – die Fraktion acht Jahre lang „als väterlicher Freund“ und mit der richtigen „Balance aus Stringenz und Freiheit“ geführt. Unabhängig von allen kommunalpolitischen Themen stellte sie fest: „Wir können uns außerordentlich glücklich schätzen, dich zu unseren Freunden zählen zu können.“
Der Geehrte selbst erinnerte daran, dass er 1947 „nur 100 Meter vom Rathaus entfernt“ zur Welt kam. Kindergarten und Schulzeit waren bereits mit kommunalpolitischen Themen verbunden: Die damaligen Räumlichkeiten gibt es heute entweder gar nicht mehr oder überwiegend in anderer Funktion. Sein bester Schulfreund war der Sohn des Bürgermeisters und späteren ersten Oberbürgermeisters Franz Kröning. Dadurch bekam Christoph Miller schon frühzeitig Einblicke in die jeweils wichtigsten kommunalpolitischen Themen seiner Heimatstadt – beginnend mit dem Bau der Konrad-Widerholt-Halle, die 1954 eingeweiht wurde.
1976 kam Christoph Miller nach Ausbildung, Studium und Promotion nach Kirchheim zurück, „um die Apotheke meiner Mutter zu übernehmen“. 1984 bis 1989 saß er erstmals im Gemeinderat und erlebte in dieser Zeit Werner Hauser und Peter Jakob als Oberbürgermeister. Als er 2004 erneut für den Gemeinderat kandidierte, hatte gerade Angelika Matt-Heideckers Amtszeit begonnen.
An zahlreiche Projekte, die er als Gemeinderat miterlebt hat, erinnerte Christoph Miller – angefangen bei der Einrichtung der Fußgängerzone, dem Bau des Teck-Centers und dem Neubau des Schlossgymnasiums in der Jesinger Halde. Dass Projekte wie die radikale Umgestaltung des Spitalviertels, die Nordwesttangente oder auch die Aufgabe des Alten Friedhofs nicht zustandegekommen sind, zeigen für Christoph Miller vor allem eins: „Die Kirchheimer haben und hatten ein gutes Gespür für ihre Stadt.“
Ein Plädoyer für Streuobstwiesen
Themen aus der Zeit Franz Krönings seien jetzt wieder aktuell: die Schaffung von Wohnraum für Geflüchtete. Die dezentrale Unterbringung, mit der Stadt seit der Krise 2015 begonnen hat, bezeichnet Christoph Miller als „gut gelöst“. Sein Wunsch für die Zukunft: „Das Handlungsfeld Umwelt- und Naturschutz möge mehr Beachtung finden. Ich fürchte ein langsames Sterben und damit ein Verschwinden unserer Streuobstwiesen.“ Mahnende Worte – verpackt in die höfliche Formulierung eines Gentleman. Andreas Volz