Die Wohnung platzt aus allen Nähten. Kartons, Kisten und Verpackungen stapeln sich, in einer anderen Ecke sind es die Kleidungsstücke. Ein Durchkommen ist nur schwer möglich. Ein solches Bild bietet sich dem fünfköpfigen Team des bei der Plochinger Brücke angesiedelten Fachdienstes „WABE“ täglich bei seiner Arbeit mit den Klientinnen und Klienten in Messie-Wohnungen. WABE zählt als eigene Fachberatungsstelle seit zehn Jahren zum Angebot des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen (KDV). Der Name ist eine Art Metapher, angelehnt an das ordentliche Zuhause der Bienen. Die Wiederherstellung der Ordnung oder zumindest einer Grundordnung in den Messie-Wohnungen ist das Ziel. Der Weg dorthin ist oft steinig und lang.
Für die „Menschen in desorganisierten Haushalten“, so die fachliche Bezeichnung, sind die WABE-Mitarbeitenden eine wichtige Anlaufstelle, erklärt Stefan Leidner, Fachbereichsleiter Sozialpsychiatrie und WABE beim KDV. Beim Start vor zehn Jahren habe es deutschlandweit kaum Ansprechpartner für die Klienten der Wohnraumarbeit gegeben, „nach München und Berlin waren wir die Dritten“, berichtet Leidner. Mittlerweile gebe es in der Region Stuttgart mehrere Beratungsstellen, die die Wohnraumarbeit zumindest in ihr sonstiges Angebot integriert haben.
Ein aktuelles Thema, dem sich das WABE-Team in Kooperation mit weiteren Mitgliedern einer regionalen Fachgruppe widmet, ist die Kaufsucht. Denn auch das begegnet dem Team bei der Arbeit mit den Messies: Es wird so viel mehr gekauft als nötig, dass aus dem Überfluss eine große Belastung entstehen kann. Am kommenden Dienstag, 21. Oktober, findet ein Fachtag in Wendlingen statt. „Mit Dr. Diana Klustra, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik Reutlingen, haben wir dafür eine Expertin gefunden“, berichtet Stefan Leidner. Aktuell gebe es keine konkreten Anlaufstellen für Menschen mit einer Kaufsucht, das soll sich ändern. Der Bedarf sei definitiv gegeben. Mit dem fachlichen Input des Fachtags soll die „Kaufsucht“ mehr in den Fokus gerückt und die Beratungsstellen über das ihr zugrundeliegende Krankheitsbild und die möglichen Hilfestellungen für Betroffene informiert werden.
Kaufsucht in den Fokus rücken
„Bei der Kaufsucht spricht man im Gegensatz zu der Alkohol- und Drogensucht von einer nicht-stoffgebundenen, also einer Verhaltenssucht“, erklärt Leidner. Die Kaufsucht habe eine inhaltliche Schnittmenge – wenngleich keine deckungsgleiche – mit der beim WABE-Team verorteten Messie-Thematik. Dazu zählen Aspekte wie eine Wahrnehmungs- und Verhaltensstörung, es gehe ebenfalls um ein psychiatrisches Krankheitsbild, sagt Sozialarbeiter Maximilian Paech.

Zum Stichtag am 26. September betreute das WABE-Team im Bereich der Wohnraumarbeit 42 Personen, darunter 31 Frauen und elf Männer ab 25 Jahren, wobei der größte Anteil die Altersgruppen der 50- bis 59-Jährigen sowie der über 60-Jährigen ausmacht. Das gemeinsame Arbeiten mit den Klienten stehe im Vordergrund, so Paech. „Ziel ist es, dass sie in ihren Wohnungen wieder existieren können und in ihrem Alltag zurechtkommen. Schritt für Schritt, im für sie individuell möglichen Tempo, sortieren wir gemeinsam (aus) und räumen gemeinsam auf“, schildert Maximilian Paech die Aufgaben. In der Regel werde eine Person mindestens über zwei Jahre mit wöchentlichen Besuchen betreut. „Das A und O dabei ist, dass es keine Hauruckaktion ist, also alles auf einen Schlag entsorgt wird“, betont Stefan Leidner. Bei über 90 Prozent des Messie-Verhaltens liege eine psychische Erkrankung zugrunde. „Das kann zum Beispiel eine Bindungsstörung sein, eine Depression, eine Schizophrenie oder auch eine Trauma-Störung“, erklärt der Fachmann. Das behutsame Vorgehen sei essenziell, um keine Re-Traumatisierung auszulösen.
Ursprung liegt in der Psyche
„Das Messie-Verhalten ist das Symptom, die Ursache ist psychischer Art. Daher ist eine Therapie so wichtig“, betonen Leidner und Paech. Es habe aber lange gedauert, bis das Messie-Syndrom als Krankheit anerkannt wurde. „Die Diagnose, die es mittlerweile gibt, ist das pathologische Horten“, so Stefan Leidner. Für die Klienten haben die Habseligkeiten einen emotionalen Wert. Sie können sich nicht so einfach trennen. Das seien oft auch Personen, die ansonsten im Leben stehen, bei denen die Problematik nur auffalle, wenn man sie zu Hause besuche. Was von den Betroffenen vermieden werde, nicht zuletzt, weil das Chaos häufig schambehaftet sei, was wiederum zur sozialen Isolation führe.
Nähere Infos zu WABE unter www.kreisdiakonie-esslingen.de/rat-hilfe/armut-und-not/wabe, inklusive eines Films zur Arbeit.
Die Fachberatungsstelle WABE des Kreisdiakonieverbands
Der Fachdienst WABE ist eine Anlauf- und Beratungsstelle für „Menschen in vermüllten/desorganisierten Haushalten“ und wurde 2015 auf Initiative des Landkreises Esslingen und des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen aufgebaut.
Das WABE-Team arbeitet unter Einbezug des sozialen Umfelds und anderer sozialer Dienste mit den Betroffenen daran, dass sie in ihrer Wohnung verbleiben können. Gemeinsam mit ihnen soll „Ordnung“ geschaffen werden.
Die Mitarbeitenden von WABE unterstützen die Betroffenen dabei, ihre soziale Isolation zu beenden und, sofern vorhanden, den Arbeitsplatz zu sichern. Den Wohnraumverlust zu vermeiden und die Stabilisierung der Betroffenen sind die wichtigsten Ziele der Wohnraumarbeit.
Derzeit besteht das WABE-Team aus fünf Mitarbeitenden. Zum Stichtag am 26. September 2025 wurden 42 Personen durch den Fachdienst begleitet. eis

