Der Kirchheimer Kunstweg huldigt nicht nur der Ästhetik: Auf dem Alten Friedhof erinnert ein Mahnmal an die zivilen Opfer des NS-Regimes in Kirchheim. Sehr für diese Kunstwegstation engagiert hat sich die in Hepsisau lebende Künstlerin Monika Majer. Die Initiatorin des vielbeachteten Bildhauersymposiums „Begegnung“, das 2005 auf dem Kirchheimer Schlossplatz stattfand, ist der Teckstadt kulturell eng verbunden.
Als Steinbildhauerin genießt Majer großes Renommee: Auszeichnungen hat sie mit ihren organisch fließenden Arbeiten beim „Art Gemini Prize“ in Singapur und dem internationalen Skulpturenwettbewerb Barcelona errungen. Bezüglich des Mahnmals sieht sich Majer jedoch nicht als Künstlerin, die den Gedenkort im Sinne eines eigenen Werkes geschaffen hat. Sie spricht vielmehr von einer „sozialen Skulptur“, einem vielstimmigen Prozess, bei dem sie die Koordination innehatte.
Austausch und Diskussion prägten den vierjährigen Entstehungsprozess. Die anfänglich kleine, von der damaligen Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker angeregte Runde erweiterte sich zur kommunikativen Plattform, an der verschiedene Personen und Institutionen andockten. „Schnell wurde klar, dass wir keine klassische Skulptur errichten wollen“, erinnert sich Majer. Die Vision war, einen Raum zu schaffen, der berührt und sensibilisiert: „Einen Raum, um Anteil zu nehmen und um wach zu bleiben für Menschlichkeit“, wie Majer es formuliert.
Dass das Mahnmal formal neue Wege beschreitet, ist dem kreativen Potenzial dieses Kirchheimer „think tanks“ geschuldet. So entstand die Idee, Repräsentanten der Opfergruppen in der Ich-Form zu Wort kommen zu lassen, aus einer Gesprächsrunde mit Jugendlichen im Mehrgenerationenhaus Linde. Lokalhistoriker arbeiteten Einzelschicksale diverser Opfergruppen heraus: politisch Verfolgte, Angehörige der Sinti und Roma, Homosexuelle, Zwangsarbeiter und Menschen, die dem „Euthanasie“-Programm zum Opfer fielen.
Unter den weit über 10 000 Menschen, die in der „Landespflegeanstalt“ Grafeneck als psychisch Kranke oder Behinderte ermordet wurden, waren auch 19 Kirchheimer. Eine von der Stadt Kirchheim herausgegebene Publikation unterlegt die Zitate des Mahnmals mit historischen Fakten. So entstehen topografische Verweise. Eine Spurensuche beginnt: Wo genau in der Dettinger Straße war denn das Lager für Kriegsgefangene, in dem Elya Rytschkow und Wasily Kutscherow erschossen wurden? Die Erinnerung an die beiden russischen Zwangsarbeiter hält eine von der Stadt gestiftete Grabplatte unweit des NS-Mahnmals wach.
Mit dem Gedenken an die Opfer alliierter Luftangriffe rücken die Waisenkinder ins Bewusstsein, die kurz vor Kriegsende im Innenhof der Paulinenpflege umkamen. „Aber sie sind im Frieden“, ist auf ihrer Gedenktafel bei den Kindergräbern zu lesen. So stellt sich der mörderischen Systematik des NS-Regimes der wahllose Schrecken entfesselter Kriegsgewalt zur Seite. Das Mahnmal ist, wie Angelika Matt-Heidecker betont, aber nicht nur ein Ort der Trauer: „Es ist auch ein Symbol des Widerstands gegen Gleichgültigkeit, Unterdrückung und Gewalt.“ Und so soll es auch weiterhin wirksam sein.