Kirchheim
Ein rollender Stein auf Latein

Kultur Die Ausstellung „Nicht mit dem Latein am Ende“ würdigt im Kirchheimer Max-Eyth-Haus Latein als lebendige Sprache. Von Florian Stegmaier

Großformatig grüßt Erasmus von Rotterdam die Besucher im Kirchheimer Max-Eyth-Haus. Die wandfüllende Präsenz des humanistischen Gelehrten geht konform mit den Erwartungen, wie sie eine der lateinischen Sprache gewidmete Ausstellung weckt. Die Rolling Stones aber hätte man in der ehemaligen Lateinschule dann doch nicht erwartet.

Sachkundig wird die kalkulierte Irritation behoben: Benannt hat sich die Rocklegende nach einem Song mit der Textzeile „I´m a rolling stone“. Eine Redewendung, die auf einem lateinischen Sprichwort fußt, wonach ein rollender Stein kein Moos ansetze. Seine Popularität verdankt das Zitat wiederum dem großen Erasmus. Rasch wird klar: was die Ausstellung „Nicht mit dem Latein am Ende“ an Artefakten, Wissensschätzen und Querverweisen vor Augen führt. Das ist weit mehr als bloße Vielfalt. Die Besucher können einem Geflecht überraschender Verbindungen nachspüren, das die kulturelle Bildekraft belegt, mit der noch heute die lateinische Sprache das Abendland prägt. Zum anregenden Wechselspiel zwischen Latein und Popkultur stellen sich nicht minder gehaltvolle Themenbereiche wie Märchen, Fabeln, Gesetz und Religion.

Besonders die eigens gewürdigten römischen Redensarten sind eine gelungene Reverenz an den Ausstellungsort. Humorvoll karikiert falsches „Studentenlatein“ das hehre Bildungsideal: „Vena laus amoris pax drux bis goris“ – in bayerischer Mundart gelesen entpuppt sich die Sentenz als handfestes Rezept zur Schädlingsbekämpfung.

Bereichernde Fundgrube

Dass die Ausstellung eine derart bereichernde Fundgrube ist, ist das Verdienst von Rolf Bernhard Essig. Gemeinsam mit Kirchheims Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek hat er die Präsentation konzipiert. Essig ist promovierter Germanist und erfolgreicher Autor. Sein unterhaltsam sprudelndes Wissen macht ihn zum gern gesehenen Gast in Rundfunk und Fernsehen. Unter dem Titel „Essigs Essenzen“ hatte er im Deutschlandfunk eine eigene Kolumne. „Die Kirchheimer Lateinschule ist ideal, um Sprichwörtliches auszustellen“, meint Essig. Der noch immer spürbare „genius loci“ einer waschechten „Penne“ habe ihn inspiriert. Zumal das Max-Eyth-Haus persönliche Familienerinnerungen wachgerufen hat: „Mein Großvater wollte Ingenieur werden und bekam Max Eyths „Im Strom unserer Zeit“ geschenkt“. So lag es für Kurator Essig nahe, sein Wirken auch auf den ersten Stock auszuweiten und mit den im Literaturmuseum versammelten Persönlichkeiten in Dialog zu treten.

Max Eyth lernen Besucher nun nicht nur als literarisch ambitionierten Pionier der Dampfpflugtechnik kennen, sie erfahren auch, was es mit dem Anziehen der fiskalischen „Steuerschraube“ auf sich hat. Hans Bethges einst populäre Nachdichtungen asiatischer Lyrik kommentiert ein Sprachspiel, das den Übersetzer zum „Verräter“ des Originals stempelt. Und Hermann Hesses Schwärmerei für Julie „Lulu“ Hellmann regt eine Reflektion über „Muse“ und „Muße“ an.

Die Ausstellung „Nicht mit dem Latein am Ende“ ist noch bis Sonntag, 7. April, im Literaturmuseum in Kirchheim zu sehen. Unter dem Motto „Phönix aus der Asche“ präsentiert Rolf Bernhard Essig am Sonntag, 11. Februar, um 11 Uhr im Kirchheimer Büchereisaal ein Erzählprogramm über Redensarten, die ganz Europa verbinden. Im Rahmen einer literarischen Stadtführung begibt sich Rolf Bernhard Essig dann am Samstag, 6. April, auf die sprichwörtlichen Gassen der Kirchheimer Altstadt.