Tibetisches Heilyoga als Entspannungstechnik
Ein schlafendes Wildpferd

Stress, Hektik, Nervosität und Bewegungsmangel sind die Feinde der Gesundheit und bestimmen den Alltag. Immer mehr Menschen sehnen sich nach Ruhe und Entspannung. Eine Möglichkeiten, dies zu erlangen, ist das tibetische Heilyoga.

Kirchheim. Sie heißen „Wildgans, die Wasser trinkt, „Wildpferd, das sich schlafen legt“ oder „Wie ein Geier greift“. Für die Übungen ist weder Gelenkigkeit noch Sportlichkeit wichtig. Wer Lu Jong ausüben möchte, benötigt seinen Körper, Gespür und die Neugierde, sich auf die sanften, fließenden Bewegungen und deren Ruhe bringenden Wirkungen einzulassen. Gedehnt, gebogen und gebeugt wird der Körper nur so weit, wie es für jeden Einzelnen möglich ist. Zwar ist es zu Beginn nicht einfach, sich auf die Bewegungen und die Atemtechniken zu konzentrieren. Bald aber gelingt dies immer besser. Schon nach wenigen Minuten stellen sich eine wohlige Wärme und eine spürbare Ruhe im Körper ein.

Fern von ärztlichen Versorgung entwickelten die Mönche in den Bergen Tibets vor Jahrtausenden durch Beobachtungen von Natur und Tieren spezielle Bewegungsabläufe – Lu Jong – die es ihnen ermöglichten, sich bei extremen Bedingungen gesund zu erhalten oder zu heilen. „Tiefe Kenntnisse alter Meister über Natur, Geist und Körper flossen in die Übungen ein“, sagt Doris Boeger, zertifizierte Lu-Jong-Trainerin, die bei der Volkshochschule in Kirchheim einen Lu-Jong-Kurs abhielt, der in der Hauptsache die fünf Grundelemente, die das Herzstück von Lu Jong sind, lehrte.

Lu Jong hat seine Wurzeln in der tibetischen Medizin. Nach dieser Lehre wird der Körper aus den fünf Grundelementen Wind, Feuer, Erde, Wasser und Raum gebildet. Die Körpersäfte Wind, Galle und Schleim sollen in Zigtausenden Kanälen fließen und den Körper etwa mit Blut, Vitaminen, Mineralstoffen und Hormonen versorgen. Fehlt das Gleichgewicht, habe dies Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden. Lu Jong soll diese Körperkanäle öffnen, die durch Stress blockiert werden.

Das Tibetische Heilyoga kennt 28  Übungen. Sie wirken auf Meridiane, Reflexzonen und Organe. Es gibt Übungen für die fünf Grundelemente, für bestimmte Befindlichkeiten wie Kopf- und Rückenschmerzen, Gelenkerkrankungen, Verdauungsprobleme oder Depressionen. Andere Bewegungsabläufe sollen Herz, Lunge, Nieren, Milz und Leber stärken.

Die Übungen kamen mit dem Tibetischen Arzt Tulku Lama Lobsang direkt aus Tibet in den Westen. Tulku Lobsang veränderte die uralten Bewegungssysteme leicht, damit jeder sie unabhängig von seiner körperlichen Verfassung machen kann und der gesundheitliche Nutzen dabei erhalten bleibt. Und er machte die einst nur mündlich weitergegebenen Übungen in einem Buch („Lu Jong – Die älteste tibetische Bewegungslehre“) vielen Menschen zugänglich.

Nach jeder Übung wird jeweils dreimal tief durch die Nase ein und den geöffneten Mund ausgeatmet. Das Ausatmen begleitet ein tonloses „Haaa“. Die Atemübung dient der Reinigung des Körpers. Es versorgt den Körper mit frischer Luft und soll Krankheiten und negative Gefühle hinausbefördern.

Wer die Übungen morgens ausübt, soll vital in den Tag gehen. Abends lässt es sich prima damit entspannen. Lu Jong, einmal erlernt, lässt sich überall ausüben. Es diene der Gesundheitsvorsorge und Selbsthilfe, ersetzt bei ernsthaften Erkrankungen jedoch nicht den Arzt.