Kirchheim
Ein Schlaganfall kann jeden treffen

Hilfe Die Kirchheimer Schlaganfall-Selbsthilfegruppe bietet Betroffenen Unterstützung und einen Schutzraum, um Schwierigkeiten gemeinsam meistern zu können. Von Heike Siegemund

Ute Bunz (links) und Heide Fromm haben die Kirchheimer Schlaganfall-Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen und würden sich über weitere Mitglieder freuen. Foto: Markus Brändli

Es war vor zwölf Jahren im Urlaub im Bayerischen Wald: Mitten in der Nacht wachte Ute Bunz mit rasenden Kopfschmerzen auf. Als sie am nächsten Morgen nicht mehr in der Lage war aufzustehen, rief ihr Mann schnell einen Arzt. Der schickte die Bissingerin sofort ins Krankenhaus. Eine richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte: Denn Ute Bunz hatte eine Hirnblutung erlitten.

Im Krankenhaus wurde die damals 44-Jährige gleich operiert. Bei dieser OP jedoch löste sich ein Blutgerinnsel: Es kam neben der Hirnblutung zum Schlaganfall mit der Folge, dass ihre linke Körperhälfte gelähmt war. Vier Wochen lang lag Ute Bunz auf der Intensivstation, davon zu einem Großteil im Koma. „Ich erinnere mich nur an einzelne Momente“, blickt die heute 56-Jährige auf diese Wochen zurück. Insgesamt verbrachte sie ein ganzes Jahr in unterschiedlichen Kliniken und Reha-Zentren. Eine schlimme Zeit, in der sie vieles neu erlernen musste. „Meine linke Hand kann ich bis heute nicht bewegen“, sagt sie.

Doch Ute Bunz kämpfte – auch für ihren Mann und ihre Tochter, die zum Zeitpunkt der Hirnblutung und des Schlaganfalls drei Jahre alt war. Inzwischen kann die Bissingerin sogar wieder Autofahren: mit einem speziell umgebauten Fahrzeug, das über einen Multifunktionsknopf am Lenkrad verfügt. Ihr Mann sorgte dafür, dass sie bald auch ihrem großen Hobby wieder nachgehen kann: dem Fahrradfahren. „Er hat mir ein Lastenrad mit drei Rädern bestellt, das nicht umfallen kann“, freut sie sich.

Ute Bunz hat von vielen Seiten Hilfe erfahren und erfährt diese bis heute – nicht zuletzt durch die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Kirchheim. Diese hatte sie zusammen mit Heide Fromm aus Weilheim ins Leben gerufen. Mit ihr teilt sie ein ähnliches Schicksal: Die heute 57-Jährige hatte vor sechs Jahren infolge einer Operation ebenfalls einen Schlaganfall erlitten.

 

Wir möchten einen Schutzraum für Betroffene bieten – einen Raum, in dem man sich versteht.“
Heide Fromm von der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Kirchheim

 

„Mitte 2022 bin ich von meiner damaligen Ergotherapeutin gefragt worden, ob ich eine Selbsthilfegruppe gründen möchte“, erinnert sich Heide Fromm. Sie musste nicht lange überlegen – zumal sich die Kirchheimer Praxis Lamprecht, die unter anderem Physio- und Ergotherapie anbietet, bereit erklärte, einen Raum für die Treffen der Gruppe zur Verfügung zu stellen. Unterstützung bei der Gründung der Selbsthilfegruppe erhielt Heide Fromm von Ute Bunz. „So kam Ende 2022 alles ins Rollen“, sagt sie.

Seither kommen die Mitglieder der Selbsthilfegruppe einmal im Monat zusammen, treffen andere Betroffene zum Austausch, können Beziehungen aufbauen und vertiefen, Schwierigkeiten gemeinsam meistern. „Wir möchten einen Schutzraum für Betroffene bieten – einen Raum, in dem man sich versteht“, erklärt Heide Fromm. Ein Schlaganfall könne eine sehr große Bandbreite an Auswirkungen haben: Oft bleiben motorische Schwierigkeiten, aber auch Sprachstörungen, Wesensveränderungen und psychische Folgeerkrankungen können auftreten. „Die meisten haben außerdem Probleme mit der Konzentration und dem Gedächtnis“, ergänzt Ute Bunz. In der Selbsthilfegruppe müsse sich niemand erklären oder rechtfertigen, denn alle wissen und können nachvollziehen, was die Betroffenen umtreibt.

Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe unterstützt die beiden Initiatorinnen der Kirchheimer Selbsthilfegruppe: „Sie ist unsere Anlaufstelle bei Fragen“, sagt Heide Fromm. Sie und Ute Bunz haben außerdem an Schulungen der Stiftung teilgenommen. „Und wir haben über die AOK Neckar-Fils ein Seminar belegt zu den Grundlagen der Selbsthilfe“, fügt Heide Fromm hinzu.

Aktuell besuchen etwa zehn Frauen und Männer die Selbsthilfegruppe. Bei den Treffen wird stets Gedächtnistraining angeboten. Je nach Programm gibt es außerdem Gleichgewichtsübungen und Vorträge von Experten. Und natürlich ist der Austausch wichtig: „Man wird aufgefangen, ermutigt, erhält Informationen und Orientierung, und man wird unterhalten“, sagt Heide Fromm. Stichwort Unterhaltung: Auch ein Café haben die Mitglieder bereits zusammen besucht. In Planung ist außerdem ein kleiner Ausflug auf die Alb.

„Wir sind hoch motiviert und wollen noch vieles machen“, sagt Ute Bunz. Über weitere Mitglieder jeden Alters aus Kirchheim und Umgebung würden sie und Heide Fromm sich freuen. Ganz bewusst ist die Kirchheimer Selbsthilfegruppe nicht für Partner und Angehörige gedacht, betonen die beiden Frauen unisono. Im Fokus stehen die Schlaganfall-Betroffenen mit all‘ ihren Sorgen und Problemen.

Auch die Angehörigen tragen eine große Last

Die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Kirchheim trifft sich einmal im Monat freitags von 14.30 bis 16 Uhr in den Räumen der Kirchheimer Praxis Lamprecht, Otto-Ficker-Straße 2. Weitere Informationen zur Gruppe erhalten Interessierte bei Heide Fromm per E-Mail an heide.fromm@gmx.de oder unter der Telefonnummer 0 70 23/35 17.

Der BegriffSchlaganfall bezeichnet einen „schlagartig“ auftretenden Ausfall von Gehirnfunktionen. Der Schlaganfall zählt mit Herz- und Krebserkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland und ist die häufigste Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter.

Zum Taggegen den Schlaganfall am 10. Mai rückt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe heuer die Angehörigen in den Fokus: Damit will sie die Mitbetroffenheit, Leistung und große Belastung thematisieren. Denn ein Schlaganfall kann auch die Partner und Angehörigen in eine große Krise stürzen. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe bietet deshalb auch für Angehörige Beratungsangebote an. hei