Wer in den kommenden Wochen durch die Arkaden des Kirchheimer Kornhauses oder auch nur außen am Gebäude vorbei geht, sieht sich mit Bild und Wort konfrontiert. „Lasst uns Grenzen überwinden“, fordert eine Position, „Bilder sind eine Sicht auf die Welt“, behauptet eine weitere. Mit der Frage „Wie viel Wandel wollen wir?“ ist ein Bild untertitelt, das den mit Menschen und Displays verdichteten Innenraum der Chicagoer Börse zeigt. Ein malerisch hochintensiver Einblick ins Herz des Kapitals. Nicht von ungefähr steht er in einer Reihe mit Motiven prekärer Migration oder aufständischer Gewalt, auf die sich die bange Frage nach dem Maß des Wandels ebenso beziehen lässt.
Doch es wäre zu kurz gedacht, die hier gezeigten Arbeiten von Künstler Anton Petz auf einen so einschlägigen Topos wie den der Kapitalismuskritik zu reduzieren. Petz, der an der Akademie der Bildenden Künste Wien studiert und dort als Gastprofessor gewirkt hat, verwendet medienbasiertes Bildmaterial und übertragt es in zumeist großformatige Malerei. Indem Petz das immaterielle Medienbild in Malerei verwandelt, gibt er ihm nicht nur einen Körper aus Ölfarbe und Leinwand, er überführt dessen Reproduzierbarkeit auch in den Status des Originals. An die Leerstelle anonymer Urheberschaft tritt das Künstlersubjekt, das in Duktus und Materialität Präsenz gewinnt und Spuren einschreibt.
Im Rahmen seiner aktuellen Installation „con:text“, die aus einer Einladung des Kirchheimer Kunstbeirats hervorgegangen ist, geht Petz noch einen Schritt weiter. Er definiert Ausschnitte aus seinen Malereien und präsentiert sie in Form hochauflösender Digitaldrucke. So kann er passgenau auf die gegebene Architektur reagieren und die Kornhausarkaden ebenso souverän bespielen wie die Schaufenster der Städtischen Galerie. Obschon es sich nicht mehr um Unikate handelt, bleibt das genuin Malerische bewahrt, wird durch den Detailcharakter sogar befördert. Malspuren und die Charakteristika des Farbauftrags bleiben in ihrer materiellen Sinnlichkeit erlebbar. Das Verständnis von Farbe als Substanz tritt als zentrales ästhetisches Anliegen hervor.
Thematisch legt der in München lebende Maler seinen Fokus auf die medialen Reflexe der Globalisierung: Flüchtlingsströme, politische Umbrüche und Massenansammlungen unterschiedlicher Art. In Anlehnung an den Soziologen und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer spricht Petz vom „Ornament der Masse“. Als dessen Kehrseite inszeniert er das freigestellte Individuum mit lebensgroßen Figuren, deren Präsentation den Topos des Heroischen bemühen. Sie agieren vor einem Hintergrund, der den Betrachter an Unruhen, Aufstände oder Katastrophen denken lässt. Doch bleibt dieser Kontext nur vage und setzt in seiner Unbestimmtheit das leicht handhabbare Schema von Opfer und Täter aus.
Der Schriftsteller Norbert Niemann spricht von einer Wiederaneignung des visuellen Eindrucks, den die Malerei von Anton Petz leistet: „Durch die Verwandlung dieser tief in uns eingebrannten, ins Unbewusste abgesunkene medialen Ikonen im malerischen Akt steigen sie wieder zur Oberfläche des Bewusstseins auf. Wir erkennen die Bilder sofort wieder, aber jetzt in ihrer emblematischen Funktion“. Die Rede vom Emblematischen weist auf den Umstand, dass es neben der Wissenschaft längst auch Kunst und Medien sind, die an die Stelle theologischer Deutung oder mythologischer Erzählung getreten sind. Daher fordern die Arbeiten von Anton Petz zu einer kritischen Selbstbefragung auf: Erkennt man sich und die Welt in ihnen wieder? Und wenn ja, welche Schlüsse zieht man daraus?
Die unter dem Titel „con:text“ firmierende Installation medienbasierter Bilder von Anton Petz ist bis 12. Juni im Außenbereich der Städtischen Galerie im Kornhaus zu sehen und rund um die Uhr zugänglich. Sofern es die Corona-Auflagen zulassen, ist ein Künstlergespräch zum Ausstellungsende vorgesehen.