Kirchheim
Eine Straße feiert ihren singenden Wirt

Geburtstag Zum 60. Wiegenfest von Vincenzo Miscioscia gibt es morgen Abend in Kirchheim eine italienische Partymeile zwischen „Glocke“ und „3K“. Von Andreas Volz

Enzo wird 60! Das ist für seinen langjährigen Kollegen und Mitstreiter Michael Holz Grund genug zum Feiern: Am morgigen Sonntag wird die Kirchheimer Dreikönigstraße deshalb kurzerhand zur gro­ßen Partymeile umfunktioniert - soweit es eben die Corona-­Verordnung gestattet. Abstandsregelungen und Vincenzo Miscioscia, das passt eigentlich gar nicht zusammen, denn Michael Holz beschreibt das Phänomen des singenden Wirts folgendermaßen: „Der besondere Gastgeber Enzo mit seinem Kellner-Team wird von den Gästen geliebt. Immer gut gelaunt und immer mitten drin.“

Die Herzlichkeit und das Zusammenrücken der Gäste - und mit den Gästen - machen eben das besondere Flair aus bei Vincenzo Miscioscia, ob das seit 1985 in der „Hutteninsel“ der Fall war oder seit 2000 in der „Glocke“. Immer noch gilt der Satz, der im Dezember 2005 über Enzo und sein Team im Teckboten zu lesen war: „Wer es also nicht bis Italien schafft, kann italienische Küche und Lebensfreude auch in der Hutteninsel erleben.“ Einziger Unterschied zu heute: Die „Hutteninsel“ gibt es nicht mehr. Wenn man stattdessen aber „Glocke“ einsetzt, passt alles schon wieder zusammen.

Passend zu Enzos sechs Lebensjahrzehnten, will Michael Holz für die Party am Sonntag in die Anfangszeit zurückgehen: „Wir wollen italienisches Flair der 60er-Jahre in die Dreikönigstraße bringen - mit alten Autos und Rollern.“ Er will auch die italienische Gastronomie in Kirchheim als Thema aufgreifen, obwohl sich dieses umfangreiche Thema sicher nicht umfassend darstellen lässt.

Zwei Kult-Gaststätten stellt Michael Holz deshalb gesondert heraus. Wie auch die „Hutteninsel“ sind sie längst schon abgerissen. Auch und gerade deshalb erinnern sich viele Kirchheimer mit Wehmut an manche fröhliche Stunde, die sie dort verbracht haben: in der alten „Sonne“ und im alten „Fass“.

Als die „Sonne“ unterging

Über die „Sonne“ schrieb der Teckbote im September 1994: „Im Jahr 1963 war die Sonne die erste italienische Gaststätte in Kirchheim.“ Älter - wenn auch keine Gaststätte - war also lediglich die Eisdiele Pra, die Franco Pra schon 1954 gegründet hatte. Die „Sonne“, die 1992 abgerissen wurde, lebt bis heute als Kirchheimer Mythos fort. 20 Jahre später gab es in der Bastion einen Erinnerungsabend an den „Sonnen-Untergang“ - mit Musik der „Sonne-Abriss-Band“.

Der Teckbote zitierte 2012 Andreas Kenner, der versuchte, das Phänomen „Sonne“ zu ergründen: „Für die Apo-Generation ersetzte sie damals das ,Hotel Mama‘, war aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses sozusagen das ,Wohnzimmer‘ von Schülern, Gymnasiasten, aber auch Lehrlingen.“ Zudem war die „Sonne“ noch „Organisationsbüro“ des Clubs Bastion und „erste Enklave italienischer Arbeiter in der Teckstadt“. Klar wird hier ganz schnell: Die Mischung macht‘s. Eine Wirtschaft, die zum Sammelbecken ganz unterschiedlicher Menschen wird, ist angekommen, mitten im Herzen der Stadt und der Gesellschaft.

Das gilt auch für das alte „Fass“ an der Ecke Max-Eyth-Straße / Gerberstraße. Ende August 1997 - kurz vor dem Aus des Traditionsstandorts am Postplatz und vor dem Umzug in den ehemaligen „Hirsch“ in der Dettinger Straße - hieß es im Teckboten über das „Fass“ und dessen langjährigen Wirt Fabio Bertoldi: „Als ausgebildeter Gastwirt hatte er das notwendige Fachwissen, als Südtiroler war er zudem deutschsprachig - die Verbindung zu den Kirchheimern klappte ausgezeichnet. Diese wiederum dankten es dem Gastwirt mit absoluter Treue. Ob Schüler, Studenten, Handwerker, Geschäftsleute, ein derart gemischtes Publikum läßt sich in kaum einer Wirtschaft finden.“

Bei Enzo in der „Glocke“ kommt als weiterer Teil des Erfolgsrezepts noch die schwäbische Küche hinzu, die er von seinen Vorgängern, der Familie Oßwald, übernommen hat: Michael Holz erwähnt Maultaschen, Linsen mit Spätzle sowie die Tradition zum Märzen- und zum Gallusmarkt: „Dann gibt es bei Enzo außer Pizza und Pasta auch die traditionellen sauren Nierle.“ Und noch etwas zum Stichwort „Sonne“: Wenn die Gäste Glück haben, serviert ihnen Enzo auch noch gratis ein Ständchen: „O sole mio“.