Kirchheim
Eine Stunde blaumachen

Kirche Am 4. März geht in der Kirchheimer Auferstehungskirche das Gottesdienstformat „Blaue Stunde“ in die zweite Runde. Die Premiere war schon vielversprechend. Von Peter Dietrich

Wer die wahre Geschichte vom älteren Kirchheimer Herrn, der älteren Dame und zwei Hunden im Alter von stolzen 15 und 8 Jahren gehört hat, wird sie so schnell nicht wieder vergessen. Begonnen hatte sie mit Regina Thomanns neugierigem Blick aus dem Erkerfenster eines Kirchheimer Altstadthauses: Was tut sich denn da draußen? Weitere Zutaten waren der Mut, auf andere zuzugehen, und die Fürsorge des besagten Herrn für die bei einem rücksichtslosen Radunfall verletzte Nachbarin.

Erzählt hat diese Geschichte Regina Thomann bei der Februarpremiere der „Blauen Stunde“ zum Thema „Hoffnung ist Leben“ vor 80 Besuchern in der Kirchheimer Auferstehungskirche. Wer diesmal wieder eine ähnliche Geschichte erwartet, könnte aber völlig falsch liegen, denn die „Blaue Stunde“ - ein neues Konzept der Kirche - soll jeden Monat anders sein. Im März sind ein Puppentheater und ein Chor geplant, es geht um das Thema „Glücklich sein!“.

„Wir sind noch am Probieren“, sagt Regina Thomann. Sie gehört zum Vorbereitungsteam, zu dem Menschen aus ganz Kirchheim eingeladen sind. „Wir suchen Dinge, die mit dem Alltag verbunden sind“, sagt Anemone Bachteler. Sie trat bei der Premiere im Dialog mit Pfarrer Axel Rickelt zum Thema „Hoffnung“ auf. Susanne Knauer las ein Hoffnungsgedicht von Lothar Zenneti. Ulrike Haehnel erzählte von der schweren Entscheidung ihrer Familie, von Kassel ins Ländle zu ziehen - ihrem Sohn wurde sie durch die Existenz des VfB Stuttgart enorm erleichtert. „Es war die beste Entscheidung“, sagt sie heute im Rückblick.

Neben den kleinen persönlichen Hoffnungsgeschichten ging es auch um die großen - ob nun aus der Bibel oder aus jüngeren Zeiten. Axel Rickelt erzählte von Südafrika und aus dem Leben von Nelson Mandela. Falls das jemand erwartet oder befürchtet hätte: Predigt gab es bei der Premiere keine. Aber inspirierende Inhalte, in lockerer Atmosphäre.

Falls das jemand vermutet: Nein, die „Blaue Stunde“ ist kein weiterer Familiengottesdienst, diese gibt es genügend an anderer Stelle. Ziel seien „Menschen in der Lebensmitte“, sagt Axel Rickelt. Das sei keine Frage des Alters - auch jemand mit 70 könne voll im Leben stehen. Er denkt an denjenigen, auf den eine beruflich turbulente Woche wartet, der zuvor nochmals verschnaufen will. An den, bei dem die Kinder am Sonntagnachmittag wieder in Richtung Studium verschwunden sind, an den, der ehrenamtlich engagiert ist und auch mal eigenen Zuspruch braucht. Die Besucher sollten neugierig auf neue Gottesdienstformen sein, den „Klassiker“ gibt es ja am Sonntagmorgen.

Als Inspiration hat sich das Vorbereitungsteam unter anderem beim Nachteulengottesdienst in Ludwigsburg umgeschaut. „Den gibt es schon lange, aber ich finde ihn immer noch gut“, sagt Rickelt. Nicht alles, was sonst zur Standardliturgie gehört, muss sein - außer, so hat es das Team beschlossen, das Vaterunser und der Segen.

Wer beim Vaterunser den Text nicht weiß, findet ihn auf der Leinwand, das Gesangbuch bleibt im Regal. Auch die Orgel schwieg bei der Premiere, dafür spielte ein erst Mitte Januar gebildetes Musikteam. Da musste nicht jeder Ton perfekt sein, mitmachen kann jeder. Die Besetzung richtet sich nach dem, was da ist. Klavier, Trompeten und Saxofon gibt es schon. Mundharmonika, Geigen und andere sind willkommen.

„Die Blaue Stunde“ heißt nicht nur so, sie soll auch etwa eine Stunde lang sein. Denn spätestens zum „Tatort“ soll am Sonntag jeder wieder zu Hause sein. „Ich fühle mich vom Gelingen überrascht“, sagte Pfarrer Axel Rickelt nach der Premiere. Nur die neue Kirchenheizung hatte zwar schön warm gemacht, aber auch etwas gebrummt. „Das kriegen wir auch noch hin.“

Info Die nächste „Blaue Stunde“ in der Auferstehungskirche beginnt am Sonntag, 4. März, um 18 Uhr.