Kirchheim
Eine Tasse Kaffee öffnet einer Familie aus Ötlingen die Tür ins Herz der S-Bahn

Erlebnis Eine Ötlingerin kümmert sich um einen verirrten Busfahrer. Als Dankeschön lädt der S-Bahn-Chef sie und ihre Familie zu einer Besichtigung des Betriebswerks Plochingen ein. Von Bianca Lütz-Holoch

Jede Menge Einblicke in die S-Bahn-Werkstatt gab es für Margarethe Schwartz aus Ötlingen und ihre Familie.  Fotos: Markus Brändli

Die S-Bahn hat kaum den Ötlinger Bahnhof verlassen, als Margarethe Schwartz aus dem Fenster deutet: „Da hinten auf der Wiese ist es passiert.“ Die Wiese ist wenige Sekunden später schon außer Sichtweite. Das Ereignis, das sich dort Anfang Februar zugetragen hat, hat Margarethe Schwartz aber nur zu gut in Erinnerung. Es ist der Grund, warum die Ötlingerin an diesem Tag zusammen mit ihrem Mann Frank, ihrer Tochter Carolin, ihrer Schwester Moni und fünf weiteren Familienmitgliedern auf Einladung der S-Bahn Stuttgart nach Plochingen fährt – zu einem Gespräch mit dem S-Bahn-Chef und einem Besuch im Betriebswerk.

Blick zurück: Margarethe Schwartz radelt am 6. Februar wie üblich am frühen Morgen den Radweg von Ötlingen nach Wendlingen entlang, als sie glaubt, ihren Augen nicht zu trauen: Auf der Wiese vor ihr steht ein riesiger Gelenkbus. In dem Gefährt sitzt der Fahrer – offensichtlich schon die ganze Nacht.

Dieses Foto hat Margarethe Schwartz am 6. Februar aufgenommen, als sie auf dem Weg zur Arbeit plötzlich den verirrten Bus in der Wiese stehen sah. Foto: Margarethe Schwartz

Margarethe Schwartz fackelt nicht lange. Sie fährt zum nahe gelegenen Haus ihrer Schwester, organisiert dem verirrten Busfahrer eine Tasse Kaffee und ein paar Scheiben Toast zum Frühstück. Ein Akt der Menschlichkeit, der die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen bei S-Bahn weckt, in deren Auftrag der Schienenersatzverkehr-Bus unterwegs war. Es folgt ein E-Mail-Wechsel, in dem Margarethe Schwartz auch ein Ärgernis erwähnt, bei dem ihre Tochter Carolin aufgrund der nicht funktionierenden App bei einer Fahrkarten-Kontrolle ein vorläufiges Knöllchen kassiert. Kurz darauf flattert die Einladung der Bahn nach Plochingen ins Haus.

„Es war doch nur eine Tasse Kaffee“, sagt Margarethe Schwartz, als sie nun mit ihrer Familie in der S-Bahn Richtung Plochingen sitzt. „Dass da so viel Aufhebens drum gemacht wird“, fügt sie hinzu und schüttelt ungläubig den Kopf. Und noch einen Satz wiederholt sie an diesem Tag immer wieder: „Leid tut mir vor allem der Busfahrer. Er ist doch der eigentliche Leidtragende gewesen.“

Margarethe Schwartz aus Ötlingen (Mitte) bei der Besichtigungstour durch die Werkstatt. Foto: Markus Brändli

Drei Stunden später sitzen Margarethe Schwartz und ihre Familie wieder in der S-Bahn – dieses Mal zurück in Richtung Kirchheim. Hinter ihnen liegen eine Führung durch die S-Bahn-Werkstatt und die Leitstelle. Im Gepäck haben sie jede Menge Eindrücke und Einblicke. „Unglaublich, wie ein einziger E-Scooter den ganzen Fahrplan durcheinanderbringen kann“, wundert sich die Ötlingerin. Gewachsen ist übrigens nicht nur ihr Verständnis für all die komplexen Abläufe bei der S-Bahn, sondern auch ihre Kaffeebecher-Sammlung. Jedes Familienmitglied hat einen S-Bahn-Becher geschenkt bekommen. „Das wäre doch nicht nötig gewesen“, sagt Margarethe Schwartz: „Es war doch nur nie Tasse Kaffee.“