Kirchheim
Eine tierisch gute Ehrenrunde nach dem Abi

Freiwilligendienst Anna-Katharina Bauer hat sich für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr vor dem Studium entschieden. Ihr Arbeitsplatz: das Freilichtmuseum. Von Bernd Köble

Ökologische Vielfalt im Museumsdorf: Anna-Katharina Bauer genießt in Beuren die tägliche Arbeit in der Natur und mit den Tieren.  Foto: Carsten Riedl

Es ist ein Wetter, bei dem man den sprichwörtlichen Hund nicht vor die Tür jagen würde. Der Spätwinter in den Beurener Herbstwiesen versteckt seine Reize an diesem Tag hinter einem tiefhängenden Wolkenvorhang. Schwarzgrau der Himmel, acht Grad und Nieselregen. Nur eine strahlt: „Aus Zucker sollte man hier nicht sein“, lacht Anna-Katharina Bauer und wischt ein paar Strohhalme von der dick gepolsterten Arbeitshose, die über schwere Stiefel reicht. Sie kommt direkt aus dem Schafstall. Davor waren die Ziegen an der Reihe. Füttern, nachzählen, kontrollieren, ob alle gesund sind – im Freilichtmuseum in Beuren beginnt so für sie der Arbeitstag.

Die 20-Jährige ist Museumsdörflerin auf Zeit und sichtlich zufrieden mit ihrem Job. Mitanpacken, den Betrieb hier am Laufen halten, dafür sorgen, dass am kommenden Sonntag, wenn mit der Saisoneröffnung die erstenBesucher aufs Gelände strömen, alles reibungslos funktioniert, das macht sie aus freien Stücken. Das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) ist eine von mehreren Möglichkeiten, sich nach der Schule für die Gemeinschaft zu engagieren. Der Lohn: ein schmales Taschengeld, Anerkennung und neue Erfahrungen fast jeden Tag.

Gerne draußen war sie immer, in der Natur aufgewachsen ist sie nicht. Im Gegenteil: „Ich bin eigentlich ein Stadtkind“, sagt die 20-Jährige. Die elterliche Wohnung, in der sie in Göppingen lebt, liegt zentrumsnah. Am Wochenende und an Abenden jedoch verbringt sie viel Zeit auf umliegenden Höfen, wo sie Pferde pflegt. Ihre größte Leidenschaft seit Kindestagen.

Wie man eine Mähmaschine bedient, Traktor fährt oder gar einen Obstbaum richtig schneidet, „davon hatte ich bis dahin keinen blassen Schimmer.“ Hier in Beuren hat sie es gelernt. Nach dem Abitur im vergangenen Jahr war da plötzlich eine Leere. Wie soll es weitergehen? Studieren? Vielleicht. Nur was? Kein Einzelfall, wohl eher die Regel in dieser Phase des Lebens. Interessen, sagt die junge Frau mit den langen dunklen Haaren, hat sie viele: Sprachen, Natur, ökologische Themen. Das FÖJ als Orientierungsjahr, als Chance, den Blick zu weiten, im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen, das alles erschien ihr auf Anhieb verlockend. Nach mehreren Hospitationen ist ihre Wahl schließlich aufs Freilichtmuseum gefallen. Weil sie sich gut aufgehoben fühlt in einem Team, das sie gemeinsam mit zwei jüngeren Mitstreitern seit September verstärkt. Eine davon ist Carolin Aberle. Die Schülerin aus Kirchheim hat das Gymnasium nach der elften Klasse verlassen. Das FÖJ ist für sie ein Anrechnungsjahr nach dessen Ende sie die Schulzeit mit der Fachhochschulreife beendet – auch das geht.

Es ist ein Ort, an dem die Arbeit strikt den Jahreszeiten folgt. Wenn das Freilichtmuseum im Herbst für die Öffentlichkeit in den Winterschlaf sinkt, beginnen hinter den Kulissen bereits die Vorbereitungen aufs nächste Frühjahr. Da wird gezimmert, gebaut und geflickt. Schafe, Ziegen, Kaninchen, Gänse und Hühner müssen auch im Winter gefüttert und versorgt werden. Sobald, wie jetzt im März, die Natur allmählich erwacht, wollen Wiesen gemäht, Hecken geschnitten und Zäune repariert sein. Auf dem elf Hektar großen Museumsgelände werfen mehr als 600 alte Obstbäume ihren Schatten. Hier geht die Arbeit nie aus. Für Anna-Katharina Bauer ist das ein Feld, auf dem sie sich entfalten kann. Bei der Zuteilung der Arbeit, berichtet sie, werde auf Interessen viel Rücksicht genommen. Und ihre sind zahlreich. Deshalb begleitet sie im Frühjahr den Imker im Dorf oder unterstützt die Museumspädagogen bei der Arbeit mit Kindern. Auch mit eigenen Ideen hat die FÖJlerin im Museum inzwischen Spuren hinterlassen. Seit sie da ist, haben die Ziegen im Winter ein Jäckchen. Nur eines ist ein klarer Fixpunkt im Kalender: „Ums Äpfelsammeln im Frühherbst kommt keiner herum“, sagt sie und lacht. Für Museumsleiterin Steffi Cornelius steht fest: „Unsere Freiwilligen sind eine echte Bereicherung fürs Team.“

Inzwischen ist für Anna-Katharina Bauer Halbzeit. Der Winter war lehrreich. Jetzt wächst die Freude auf die ersten Besucher der neuen Saison. Auch sie ist hier gewachsen, und sie weiß inzwischen zumindest, was sie nicht will: „Ein reiner Bürojob“, sagt die 20-Jährige, „kommt für mich nicht mehr infrage.“

Möglichkeiten, sich freiwillig zu engagieren

Freiwilliges Ökologisches Jahr Das FÖJ steht allen offen, die ihre Vollzeit-Schulpflicht beendet haben und noch keine 27 Jahre alt sind. Wer Interesse an Umwelt- und Naturschutzthemen hat und Einblicke in ökologische Zusammenhänge gewinnen will, ist hier richtig. Das FÖJ beginnt in der Regel am 1. September. Alle Infos dazu mit Stellenangeboten gibt es unter ich-will-foej.de.
 

Freiwilliges Soziales Jahr Das FSJ dauert sechs bis maximal 18 Monate und kann in Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen, in der Altenpflege, aber auch in der Jugendhilfe, im Sport- oder Kulturbereich absolviert werden. Voraussetzung ist auch hier, die Beendigung der Vollzeit-Schulpflicht und ein Alter zwischen 16 und 26 Jahren. Infos dazu gibt es unter ich-will-fsj.de
 

Bundesfreiwilligendienst Der BFD ersetzte 2011 den Zivildienst und steht allen, unabhängig von Geschlecht und Alter offen, vorausgesetzt die Vollzeitschulpflicht ist erfüllt. Der Dienst kann im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, aber auch in anderen Bereichen wie Sport und Integration sowie im Zivil- und Katastrophenschutz geleistet werden. Infos unter ich-will-bfd.de.

Internationaler Jugendfreiwilligendienst Der IJFD kann bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres geleistet werden und ermöglicht ein Engagement in ökologischen oder sozialen Projekten im Ausland. Entsprechende Reisen sind nur über einen von insgesamt 130 anerkannten Trägern möglich, die auch Reise-, Unterbringungs- und Versicherungskosten tragen. Infos unter ijfd-info.de. bk