Ein Kleinod mitten in der Stadt, das 115 Jahre lang ein Schattendasein geführt hat: Das ist das „Blockhaus“ oder auch das „Schweizerhaus“, das sich der Kirchheimer Fabrikant Max Weise 1905 im Park seiner Villa errichten ließ. Nur weil es auf einem kleinen „Berg“ steht, ist es für Passanten sichtbar, die an der Ecke Weisestraße / Raunerstraße entlang der Mauer unterwegs sind. Ein Schattendasein führte dieses „Blockhaus“ wohl fast die längste Zeit seiner gesamten Existenz. Der Bauherr Max Weise starb 1931, seine Frau Emma 1940. Nach dem Tod der beiden wurde der gesamte Park „vernachlässigt“, wie der Historiker Dr. Eberhard Sieber schreibt.
Er hat die Kirchheimer Architekturgeschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erforscht. Vor allem ging es ihm dabei um die zahlreichen Gebäude, die der Architekt Philipp Jakob Manz in Kirchheim hinterlassen hat. Auch die Villa Weise in der Dettinger Straße gehört zu diesen stadtbildprägenden Gebäuden. Die Villa - in der sich derzeit ein Notariat befindet - hatte im Lauf der Zeit vielfältige Nutzungen aufzuweisen. Als Restaurant und Event-Location ist sie vielen Kirchheimern ein Begriff. Es gibt wohl kaum jemanden, der sich dort nicht schon einmal aufgehalten hätte. Ganz anders das „Blockhaus“ im weitläufigen Garten der Villa. In diesem Fall gibt es kaum jemanden, der überhaupt weiß, dass dieses Gebäude existiert.
Investor plant zwei Wohnblocks
Letzteres war wohl auch das Problem bei der Stadtverwaltung: Ein Investor aus Waiblingen hat das Parkgelände aufgekauft, um zwischen Weisestraße und Polizeirevier, zwischen alter Villa und Rauberweg zwei größere Wohnblocks zu errichten. Das Vorhaben passt zur aktuellen Kommunalpolitik, in der es einerseits um die Schaffung neuen Wohnraums und andererseits um Nachverdichtung in bereits bebauten Bereichen geht. Die Bedeutung innerstädtischer Grünanlagen wird zwar auch immer wieder hervorgehoben, in diesen Zusammenhängen allerdings stets vernachlässigt.
Noch weniger Bedeutung hat die historische Bausubstanz. Ein architektonisches Kleinod wie das „Schweizerhaus“ des Flanschenfabrikanten Max Weise steht da höchstens im Weg. Deswegen droht ihm nun der Abbruch. In die Pläne des Bauträgers jedenfalls lässt es sich kaum bis gar nicht integrieren. Und weil nirgends so recht bekannt war, dass es sich um ein erhaltenswertes Baudenkmal handeln könnte, „würde die Abbruchgenehmigung wohl erfolgen“, wie Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer nun im Gemeinderat mitgeteilt hat.
Es gehe dabei um Vertrauensschutz für den Investor, der das Gelände erworben hat, weil er davon ausgegangen war, dass er es komplett bebauen kann. „Wem das Gelände gehört, dem gehört auch das Gebäude“, führte Günter Riemer weiter aus. Folglich könnte es der Investor ganz nach eigenem Belieben abreißen oder erhalten - es sei denn, der Denkmalschutz würde hier greifen. Allerdings ist auch dann die Sache nicht eindeutig. Günter Riemer: „Ein Denkmal ist zwar im Grundsatz zu erhalten. Aber es ist immer eine Frage der Wirtschaftlichkeit.“ Und diese Frage ist schnell beantwortet: Der Erhalt eines solchen Baudenkmals ist eher unwirtschaftlich.
Freilichtmuseum zeigt bislang kein Interesse
Der Kirchheimer Verschönerungsverein und die Initiative historisches Kirchheim haben sich der Sache angenommen und Gespräche geführt - mit der Stadt ebenso wie mit dem Investor und dem Landesamt für Denkmalpflege. Auch beim Freilichtmuseum in Beuren hat die Stadt deswegen bereits nachgefragt. Vorläufiges Ergebnis, laut Bürgermeister Riemer: „Das Schweizerhaus passt nicht ins Gefüge der Museumslandschaft, und das Lager ist voll.“
„In Süddeutschland einmalig“
Das ist schade, denn Eberhard Sieber nennt es einen Glücksfall, dass das „Blockhaus“ überhaupt noch vorhanden ist: „Es ist ein unbedingt erhaltenswertes Zeugnis der bürgerlichen Kultur der Gründerzeit, ein in Süddeutschland einmaliges Objekt, originell, ein Kleinod für die Stadt Kirchheim.“
Eigentlich bleiben nur zwei Hoffnungen: dass sich die Verantwortlichen des Freilichtmuseums diese Sicht zu eigen machen und das Kirchheimer „Blockhaus“ vielleicht doch einlagern - oder dass der Investor eine Möglichkeit findet, das Gebäude in sein Wohnkonzept zu integrieren. Was der Stadt als Möglichkeit bleibt, wäre eine entsprechende Ausgestaltung des Bebauungsplans, die das Erstellen von Wohngebäuden auf dem Platz des „Blockhauses“ verhindert. Das könnte der Gemeinderat so beschließen - falls er sich nicht vom Argument des Vertrauensschutzes überzeugen lässt.