Von wegen verkopfte Musik: Was die Band „Underkarl“ auf die Bühne zauberte, war ein Ausflug in die Vielfalt musikalischer Ausdrucksformen der großartigen, lange von Amerika geprägten Jazzgeschichte - und das gepaart mit den musikalischen Freiheiten der Gegenwart. Die zahlreichen Zuhörer wussten es zu goutieren, wurden sie von den fünf brillanten Musikern doch zu einer äußerst erlebnisreichen und lustvollen Entdeckungsreise mitgenommen.
„Lömsch“ Lehmann eröffnete den Abend virtuos mit einem Solo auf dem Baritonsaxofon, bis sich Rudi Mahall mit der Klarinette dazugesellte. Ein Ininitialzündung, auch für die anderen Musiker, um gemeinsam ein dichtes Geflecht an Klängen und Rhythmen zu entwickeln. Nach einiger Zeit wurde ein bekanntes Thema erkennbar, Bläser und Gitarre fanden auf der swingenden Grundlage von Bass und Schlagzeug kurzzeitig zusammen. Frank Wingold entwickelte ein wunderbar klares und perlendes Solo auf seiner 7-saitigen halbakustischen Gitarre und setzte damit den Anfang einer furiosen Zeitreise.
Vielfältiges Klangspektrum
Nur für wenige erkennbar: Bereits im ersten Stück wurden Versatzstücke höchst unterschiedlicher Höhepunkte der Jazzgeschichte verarbeitet, Ideen von Sun Ra, Miles Davis und Clifford Brown - in jedem Fall gekonnt. Normalerweise werden im Jazz die Themen bekannter Songs als Grundlage für eigene Werke verwendet, Underkarl aber greift auf Teile bedeutender Improvisationen zurück und macht diese zur Grundlage eigener Kompositionen, über die wiederum lustvoll improvisiert werden darf. „Timetunnel“ nennt sich die dem Programm zugrunde liegende CD.
Überaus vielfältig gestaltete sich das Klangspektrum der Melodie-Instrumente. Lehmann spielte an diesem Abend neben Bariton- und Tenorsaxofon oft auch Klarinette, Mahall wechselte zwischen Bassklarinette und normaler Klarinette, woraus sich vielfältige Überlagerungen und Reibungen ergaben. Lehmann lotete dagegen die Möglichkeiten der Instrumente aus, zerlegte auch mal die Klarinette und spielte ohne Schalltrichter und benutzte Bühnenboden und Finger zur Klanggestaltung. Mahall glänzte mit furiosem Swing, variablem Klang zwischen einschmeichelnd und schroff. Frank Wingold ergänzte seinerseits subtil die Klangfarben und wirkte oft wie ein dritter Bläser. Er glänzte mit virtuos gestalteten Soli und brach immer wieder die Stimmung mit ungewohnten Klängen auf. Schlagzeuger Dirk Peter Kölsch überzeugte mit Präzision, zumeist reduziert und mit subtilem Humor. Im Hintergrund hielt Bassist Sebastian Gramms die Fäden der Band zusammen. Mit wunderbar rundem, warmem Ton schaffte er das Fundament für die Höhenflüge der Mitmusiker, glänzte dann aber in einem äußerst stimmigen Solo.
Kaum zu glauben: Seit über 25 Jahren finden sich die fünf Individualisten immer wieder zu neuen musikalischen Höhenflügen zusammen. Das Publikum erklatschte sich noch zwei Zugaben samt Tusch zwischen Swing und Soul, aber fest in der musikalischen Gegenwart verankert.