Digitalisierung
Elektronische Krankschreibung macht Betrieben das Leben schwer

Der „gelbe Schein“ gehört seit rund zwei Jahren der Vergangenheit an. Der Ersatz bringt aus Sicht lokaler Unternehmen allerdings nur den Mitarbeitern Vorteile.

Bettina und Moritz Schmauder können von Problemen mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ein Lied singen. Foto: pr

Grippe, Corona, Magen-Darm: Trotz des nahenden Frühlings stecken sich viele Menschen mit Viruserkrankungen an. Entsprechend hoch ist der Personalausfall in den Unternehmen. Für viele Betriebe, die ohnehin seit Jahren zu wenig Mitarbeiter haben, keine einfache Zeit. Hinzu kommt ein weiteres Problem: die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), die vor rund zwei Jahren eingeführt worden ist und den „gelben Schein“ ersetzt hat, sorgt laut lokalen Unternehmen für jede Menge Mehrarbeit.

Mehrarbeit für Unternehmen

Bettina Schmauder kommt bei diesem Thema so richtig in Fahrt. „Die eAU wurde uns als ganz toller Digitalisierungsschritt verkauft. Aber für uns ist es überhaupt keine Arbeitserleichterung. Im Gegenteil“, sagt die Landesvorsitzende des Bundes der Selbstständigen (BDS) und Kaufmännische Leiterin des Kirchheimer Autozentrums „Schmauder & Rau“. Die Erfahrungen, die die Unternehmerin schildert, stammen nach ihren Angaben aus dem eigenen Betrieb, würden sich aber mit den Erzählungen aus vielen anderen BDS-Unternehmen decken.

Für die kranken Mitarbeiter sei die Einführung der eAU eine Erleichterung, sagt Bettina Schmauder. „Das finde ich auch richtig so“. Allerdings hält Schmauder es für falsch, dass den Arbeitnehmern signalisiert worden sei, mit der Einführung der elektronischen Krankschreibung gehe alles ganz automatisch. „So ist es eben nicht“, sagt die Unternehmerin. Am Anfang habe man deshalb das große Problem gehabt, dass Mitarbeiter teilweise gar nicht mehr angerufen hätten, um sich krankzumelden, nicht mitgeteilt hätten, wann der erste Tag der Krankschreibung gewesen sei und wie lange sie voraussichtlich fehlen werden. Auch heute müsse man das teilweise noch einfordern. 

Seit es den „gelben Schein“ nicht mehr gibt, haben Arbeitgeber eine Holschuld. Sie müssen die Krankschreibung aktiv abrufen. Allerdings sei das gar nicht so einfach, sagt Schmauder. „Wenn bei der Suche irgendetwas nicht passt, kriege ich eine Meldung, dass es nicht passt. Aber ich kriege kein Feedback, warum es nicht passt. Und dann muss ich mich auf Fehlersuche begeben.“ Das sei so aufwändig, dass Mitarbeiter Moritz Schmauder den Abruf normalerweise nur einmal monatlich macht, um den zeitlichen Aufwand in Grenzen zu halten. „Wer hat einen Vorteil von der Digitalisierung? Der Unternehmer auf jeden Fall nicht“, kritisiert die BDS-Landesvorsitzende.

Attest verschwindet spurlos

Das beklagt auch Christine Gässler, zuständig für Gehälter, Buchhaltung und Personal beim Handwerksbetrieb „Blech am Bau“ in Dettingen. Sie kritisiert, dass Betriebe die Krankschreibung oft erst nach Tagen, manchmal auch erst nach einer Woche im System abrufen können.

Einen Fall hat Gässler als besonders krass in Erinnerung: Ein Mitarbeiter war nach einer Schulter-Operation monatelang krankgeschrieben. Weder dem Unternehmen noch der Krankenkasse lag jedoch ein Attest vor. Auch der Patient selbst hatte nichts Schriftliches bekommen, weil die Krankmeldung ja inzwischen digital übermittelt wird. „Wir haben ihn weiterbezahlt, haben aber keine Rückerstattung bekommen, weil er offiziell nicht krankgeschrieben war“, erinnert sich Gässler. Nach sechs Wochen hätte das Krankengeld anlaufen sollen, konnte aber ebenfalls nicht gezahlt werden, weil immer noch keine Krankmeldung vorlag. Sie selbst habe das Stunden gekostet, auch der Steuerberater habe immer wieder mit der Krankenkasse telefoniert. „Erst Wochen später hat es sich geklärt. Die Krankmeldung war irgendwo untergegangen“, sagt sie.

„Die neue eAU ist alles andere als arbeitgeberfreundlich“, lautet Gässlers Fazit. Den Arztpraxen will sie keinen Vorwurf machen. Sie vermutet, dass die Schwierigkeiten technischer Natur sind. Anstatt die Krankschreibung zu vereinfachen, sei das Verfahren komplizierter und teurer geworden. „Das erstattet uns keiner“, sagt sie. „Wenn es funktionieren würde, wäre es ja toll. Aber der Schuss ist nach hinten losgegangen.“

Diese Pflichten hat der Arbeitnehmer trotz eAU

Anzeigepflicht Der Arbeitnehmer muss seinen Betrieb unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer informieren (Krankmeldung). Auf welchem Weg dies geschieht, ist egal. Hauptsache ist, dass der Arbeitgeber schnellstmöglich von der Arbeitsunfähigkeit erfährt. Die Art der Erkrankung muss nicht angegeben werden.
Nachweispflicht Wenn absehbar ist, dass die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage andauert, muss der kranke Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankschreibung) beim Arzt anfordern. Maßgeblich sind Kalendertage, nicht Arbeitstage. Oft wird im Arbeitsvertrag vereinbart, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon früher vorgelegt werden muss. Die Übermittlung der Krankschreibung erfolgt elektronisch, Arbeitnehmer können aber einen Ausdruck verlangen. Der Gang zum Arzt ist jedoch nicht in jedem Fall notwendig. Seit Ende 23 gibt es die telefonische Krankschreibung dauerhaft. adö