Kirchheim
Elfriede hat es allen angetan

Lesung Im Kirchheimer Leseladen mit Mareike Fröhlich und Daniela Berg sind Gänsehaut und Lachanfälle inklusive.

Kirchheim. Ein Schuss beendet die Lesung und lässt die Gäste voller Neugierde auf das Ende zurück. Mit diesem Konzept ist Gänsehautfeeling garantiert, denn jede Geschichte endet nach ganz genau zehn Minuten. Mit einem Herzschlag werden die letzten 30 Sekunden untermalt, steigern die Spannung und sorgen bei den Zuhörerinnen selbst für Herzklopfen. Doch auch ohne diese Maßnahme ist ein wohliger Schauer garantiert.

Omis, die Einbrecher zum Striptease zwingen, ein genervter Sohn, der zum Rasiermesser greift, oder eine Hobbyköchin, die ihre unerfreulichen Nachbarn zu Maultaschen, Rouladen oder Kutteln verarbeitet – bei Mareike Fröhlich ist alles möglich, und die gespannten Gäste lassen sich gerne auf die Kurzgeschichten ein, die sie im Gepäck hat. Vor ausverkauftem Haus liest sie, unterstützt von Daniela Berg aus Ostfildern und mit musikalischer Begleitung von Uwe Dörr aus Ditzingen.

Viele Gäste sitzen zum ersten Mal gespannt zwischen Büchern und Tischen, doch auch Wiederholungstäterinnen fanden um 19.30 Uhr ihren Weg in den Leseladen nach Kirchheim. Wie gut, dass Fröhlich neue Geschichten im Gepäck hatte. Aufgeregt und voll freudiger Erwartung lässt sich das weibliche Publikum auf den Stühlen nieder, bereit mit Fröhlich um die Welt zu reisen und die skurrilen Hauptfiguren bei ihren Untaten zu begleiten.

Verständnis fürs Muttersöhnchen

Mit kleinen Gesten, hektischen Bewegungen und atemlosen Sprachfetzen erwecken Fröhlich und Berg die Figuren zum Leben. Mit immer schrill werdender Stimme sorgt Berg dafür, dass nicht nur Michael aus Remstal seine Mutter zum Schweigen bringen möchte, nein, auch das Publikum kann es fast nachvollziehen, dass die nörgelnde Mutter still sein muss. Doch bevor klar wird, was das Muttersöhnchen mit seiner Mutter anstellt, endet der Herzschlag und der Schuss ertönt. Vorbei ist die Geschichte und die Auflösung wird nicht verraten.

Doch nicht alle Geschichten enden so. „Elfriede“ darf sich bis zum Ende austoben, dabei spielen sich die Verbrechen nur in der Fantasie von Herbert ab, dem Ehemann. Oder hat diese nette Oma von 76 Jahren tatsächlich Rolf, Ferdinand, Gisela und auch Inge auf dem Gewissen? Eine genaue Auflösung gibt es nicht, jeder im Publikum darf sich seine Meinung bilden, denn Fröhlich spielt in dieser Kurzgeschichte mit den Möglichkeiten. Tatsachen werden hier nicht geschaffen, dafür sorgen die schrägen Gedanken von Herbert für Heiterkeitsausbrüche.

Das zeichnet die Geschichten von Fröhlich aus: fein strukturierte Charaktere, exzentrische, überzogene Alltagssituationen und feiner Humor. Kein Wunder also, dass nach dem offiziellen Ende nach einer Fortsetzung gegiert wird, und so gibt es noch eine ganze Geschichte, ganz ohne Schuss und vorzeitigem Ende. „Läuft schon Digger“ sorgt mit einer eigentümlichen und unfreiwilligen Striptease-Show von zwei Einbrechern für einen gelungenen Abschluss. Sylvia Horlebein