Kirchheim
Eltern kämpfen für G9

Demokratie Aktuell läuft ein Volksantrag für ein „G9-Gesetz“ in Baden-Württemberg. Elke Schepp hilft Eltern, die bürokratischen Hürden zu überwinden. Von Antje Dörr

Die Entscheidung, ihre Tochter aufs Gymnasium zu schicken, ist den beiden Kirchheimern Elke und Florian Schepp nicht leicht gefallen. Der Grund: die Gymnasialzeit von acht Jahren, die seit 2004 Standard ist für die allermeisten Schülerinnen und Schüler im Land. „Mein Mann und ich, wir waren beide auf dem Gymnasium. Wir hatten eine tolle Zeit, mit Freunden, Freizeit, Hobbys, im Verein“, erinnert sich Schepp. Das Wissen, dass ihre Tochter zwangsläufig eine ganz andere Zeit erleben würde, ließ das Ehepaar lange mit sich ringen. „Mit G8 ist es für die Kinder schwierig, Sport zu machen oder ein Instrument zu lernen und zudem noch Zeit zu haben für Freundschaften“, sagt sie.

Der Wunsch vieler Eltern, den eigenen Kindern eine stressfreiere Schulzeit zu ermöglichen, ist der Treiber für den Volksantrag „G9-Gesetz“. Zwei Initiatorinnen kämpfen dafür, dass der Landtag sich mit ihrem Anliegen beschäftigt: Der Wiedereinführung der neunjährigen Gymnasialzeit als Regelweg in Baden-Württemberg „mit der Möglichkeit des G8, für diejenigen, die es leisten können und auch möchten“. Am 12. November 2022 fiel der Startschuss. Bis 11. November 2023 müssen 39 000 Unterschriften beisammen sein. „Je schneller wir diese Zahl erreicht haben, desto früher muss sich der Landtag mit dem G9-Gesetz beschäftigen“, schreiben die Initiatorinnen.

Anders als bei einer Online-Petition ist das bürokratische Prozedere bei einem Volksantrag recht aufwändig. Wer die Initiative unterstützen möchte, muss das Formblatt ausdrucken, ausfüllen und es zur Wohnortgemeinde bringen, um sich die Wahlberechtigungsbestätigung abzuholen. Anschließend muss es eingetütet, frankiert und verschickt werden. Und hier kommt wieder Elke Schepp ins Spiel, die diesen Vorgang als „enorme Hürde“ bezeichnet. „Ich möchte Menschen helfen, diese Hürde zu überwinden“, sagt sie.

Bei Stefanie Rau vom Gesamtelternbeirat rannte Schepp mit ihrem Wunsch offene Türen ein. Schepp durfte die Initiative in einer Sitzung publik machen. Die Elternbeiräte der Kirchheimer Schulen tragen die Kampagne nun den gesamten März über in die Schulen und zu den Eltern. Die Formblätter werden auf unterschiedliche Weise gesammelt und landen schließlich bei Elke Schepp, die die Blätter im April nach Gemeinde sortiert, in den Rathäusern abgibt, sie bestätigen lässt und anschließend verschickt. Damit nimmt die Kirchheimerin Hunderten von Eltern den Gang in ihre Wohnortgemeinden und anschließend zum Briefkasten ab. 

„Ich bin gespannt auf den Rücklauf“, sagt Elke Schepp. „Schließlich muss man immer noch ausdrucken, ausfüllen und das Formblatt abgeben“. Die Zettel allen Schulen zur Verfügung zu stellen, sei nicht möglich, sagt sie. „Die Initiative hat kein Budget.“ Das sei bewusst so, die Initiatorinnen lehnten die Finanzierung durch Parteien oder andere Initiativen ab, um völlig unabhängig zu sein. Natürlich können nicht nur Eltern von Schulkindern unterschreiben, sondern alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger Baden-Würt­tembergs. Für manche Kitas hat Elke Schepp Sammelboxen gebastelt. Boxen mit Formblättern stehen auch im ­Aroma-Buchcafé, in der Buchhandlung Zimmermann und bei „DuYoga“ in Kirchheim.

Elke Schepp freut sich darüber, wenn möglichst viele Schulen sich beteiligen. „Beide Gymnasien sammeln bereits, und sechs der acht Grundschulen haben mitgeteilt, dass die Sammlungen schon begonnen haben oder über die anstehenden Elternabende die Formblätter eingesammelt werden“, sagt sie. Den Gang in die Rathäuser übernimmt sie als Koordinatorin bislang alleine, erhält aber viel Unterstützung von Menschen, die die Initiative bekannt machen, Boxen aufstellen und Unterschriften sammeln. Dass es bislang so gut läuft und durch die Kooperation mit dem Gesamtelternbeirat so viele Eltern erreicht werden können, bezeichnet Schepp als vorbildlich. „Ich weiß, dass das in anderen Städten viel schlechter gelaufen ist.“

Warum zurück zu G9?

Die Initiatorinnen begründen auf ihrer Homepage, warum sie für die Wiedereinführung der neunjährigen Gymnasialzeit sind. Die Reduzierung auf acht Jahre bis zum Abitur sei 2004 aus rein wirtschaftlichen Überlegungen geschehen. „Pädagogische Gründe lagen nicht vor.“ Die Reform wirke sich deutlich negativ auf die Kinder und Jugendlichen aus: Vollgestopfte Stundenpläne bis in den Nachmittag und somit kaum Zeit für Aktivitäten außerhalb der Schule, keine Zeit zum Üben oder Vertiefen des Gelernten, zu frühe Vermittlung abstrakter Lerninhalte und eine beeinträchtigte Studierfähigkeit seien die wichtigsten negativen Folgen der Schulzeitverkürzung. „Aus diesen Gründen und auf erheblichen Druck der Eltern führten die meisten Kultusminister in ihren Ländern wieder eine auf neun Jahre verlängerte Gymnasialzeit ein“, schreiben die Initiatorinnen. Baden-Württemberg sei das letzte westdeutsche Flächenbundesland mit verkürzter Gymnasialzeit. „Das möchten wir ändern!“ adö