Wir freuen uns auch!“ Dieser Zuruf kam spontan aus dem Zuhörerkreis, als Büchereileiterin Ingrid Gaus ihre Freude darüber äußerte, dass „Text und Töne“ trotz Coronakrise stattfinden kann. Allerdings konnten nur vierzig statt neunzig Plätze angeboten werden. Das tat der Freude aber keinen Abbruch, zumal zum Jubiläum des Sommerprogramms eine Künstlerin engagiert wurde, die in Kirchheim wohlbekannt ist. Christiane Maschajechi hat die Veranstaltungsreihe maßgeblich mitgeprägt.
Mitgebracht hat sie eine Menge Gepäck voller Utensilien. Nachdem sie diese ausgepackt und sich aus Kleidern und Maske geschält hat, kann‘s losgehen mit den Texten, einer farbigen Mischung, unter der sich wahre Fundstücke befinden. Es geht unter dem Titel „Costa Corona“ um den „Urlaub im Kopf“. Das Sommerurlaubsprogramm der Stadtbücherei hat sich schon immer um die Daheimgebliebenen gekümmert und sie mit einem „Urlaub im Kopf“ getröstet. In Coronazeiten ist diese Wohltat noch nötiger, denn man verbringt viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden: Man entdeckt durch den bewussten Gang durch die Wohnung oder im Innehalten nicht nur neue Perspektiven des Raums oder des Lebens, sondern hat auch das Bedürfnis, Wände, Böden oder die Toilette zu sanieren. Vom Kabarettkollegen Harald Hurst übernimmt Maschajechi den Text „Schadenfreude“, der vom Umbautrieb handelt. Das Kochen in der eigenen Küche wird wiederentdeckt. Auch dazu gibt es von Hurst einen Text, der die Kunst erklärt, wie man schwäbischen Kartoffelsalat herstellt, dabei aber immer wieder durch lästige Telefonanrufe unterbrochen wird - alles in wunderbarem Originalschwäbisch dargeboten.
Die Uhr und die Zeit
Doch nicht nur Häusliches und Privates bringen die Texte zur Sprache. Die schwäbische Heimat wird auch aus Sicht der englischen Schriftstellerin Frances Trollope betrachtet oder eines integrierten Syrers: „Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit“. Die Textsorten sind vielfältig. Da spielt ein Rapper, der „Fehlermacher“ Bas Böttcher, mit der Sprache: aus „Lapsus“ wird „Luxus“, aus „Versager“ „Verse-Sager“. Da nimmt Max Bense, ein Philosophieprofessor, der an der Uni Stuttgart Furore gemacht hat, das Wort „jetzt“ unter die Lupe.
Aber wo bleiben die Töne? Sie erklingen im Vortrag der Künstlerin. Durch ihre allseitige Ausbildung kann sie vielseitige „Instrumente“ gekonnt einsetzen, die Modulation der Stimme, Gestik, Mimik, Sitzen oder Stehen, alles ist stimmig mit den Texten. Dazu kommt, dass Maschajechi immer wieder den direkten Kontakt mit dem Publikum sucht und findet und viel von ihrer eigenen Befindlichkeit offenbart. Sie kann es sich leisten, dem Publikum nackte Füße entgegenzustrecken. Schließlich ist sie hier zuhause.
Sie macht keinen Hehl daraus, dass ihr die Coronazeit existentiell zusetzt: keine Auftritte und keine Seminare bis Dezember. Auch deshalb freut sie sich „saumäßig“ über ihren Auftritt in Kirchheim. Sie entschuldigt sich dafür, vielleicht zu viel Material mitgebracht zu haben. Dazu könnte je nach Geschmack die Entspannungsübung mit der „Wunderfrage“ gehört haben, in der ein Einblick in ihre Tätigkeit als Coach gewährt wird.
Heilsam und wohltuend sind ihre positive Ausstrahlung und die Lebensfreude, die sie dem meist älteren Publikum vermittelt. Selbst voller Energie, bringt sie Geschichten von Omas, die noch als „Granny Aupair“ in die Welt hinausgehen und ihr Glück finden. Oder sie erzählt von der eigenen hundertjährigen Oma, die über Internet mit ihrer Umwelt kommuniziert. So entlässt sie ein heiter gelöstes, dankbares Publikum, nicht nur wegen des endlich wieder stattfindenden Kunstgenusses.