Seit mehr als 13 Jahren betreut der evangelische Pfarrer Werner Ambacher in Kirchheim sechs Pflegeheime: das Henriettenstift, das Fickerstift, das Steingaustift, das ASB Seniorenzentrum „An der Lauter“, St. Hedwig und das Pflegezentrum Kirchheim in der Jahnstraße. Er weist aber auch keine Anfrage aus einem anderen Heim ab. Als er diese Aufgabe übernahm, wurde die Stelle neu geschaffen, sie wirkt für ihn maßgeschneidert.
Doch der Weg dorthin war schwer, denn Werner Ambacher bringt mehrere Handicaps mit, darunter nur ein Restsehvermögen, denn kurz vor seinem Abitur wurde ein Glaukom festgestellt. „Ich musste in der Landeskirche gegen Vorbehalte kämpfen“, sagt er. Die kritische Frage „Wie wollen Sie das machen?“ hat er oft gehört. „Es gab wenig Fantasie, es wurde kein Mut gemacht, offensiv mit den Einschränkungen umzugehen“, bedauert er. Mittlerweile bessere sich das: „Die Kirchenleitung denkt um.“
Achteinhalb Jahre lang war Werner Ambacher als Pfarrer in Unterreichenbach im Schwarzwald. Mit dem dünnen öffentlichen Nahverkehr auf dem Lande, auf den er angewiesen ist, war das schwer. In Kirchheim ist es für ihn viel einfacher. Von seiner Wohnung oberhalb des Diakonieladens kann er viele Ziele zu Fuß erreichen. Den Kirchheimer Stadtplan hat er im Kopf, das gilt auch für die Pflegeheime, die er besucht. Er kennt Kirchheim auch deshalb so gut, weil er in Notzingen aufgewachsen ist und in Kirchheim aufs Gymnasium ging.
Durch die Corona-Maßnahmen ging in den Heimen vieles nicht mehr, was vorher möglich war. Nun muss manches neu gestartet werden. „Vor Corona habe ich am Leben in den Häusern teilgenommen, an Festen, am Gedächtnistraining und vielem mehr. Man erkennt, wer einsam ist, wer das Gespräch sucht, wer alleine gelassen werden will.“ Auch Angehörige melden sich bei ihm, etwa wenn es der Mutter schlecht geht, oder er bekommt Hinweise vom Personal – bei dem er sich aber auf viele Wechsel einstellen muss. „Viele können gesundheitlich nicht mehr oder sind ausgebrannt.“
Auch die Mitarbeitenden suchen das persönliche Gespräch mit ihm. Die Konfession der Gesprächspartner spielt für ihn keine Rolle, außer bei seinen Geburtstagsbesuchen – da bekommt er nur die evangelische Liste. Werner Ambacher gehört zum Team der Stadtkirchengemeinde, predigt auch bei Gemeindegottesdiensten. Das sieht er als Bereicherung. Für die Pflegeheime nutzt ihm seine klinisch-seelsorgerische Ausbildung, teils in einer Klinik in den USA. „Sonst steht man in der Gefahr, in der Seelsorge über seine eigenen biografischen Fallen zu stolpern.“ Vehement widerspricht er dem Bild, das in manchem Krimi vermittelt wird, wo jemand dem Pfarrer einen Mord beichtet. Das sei weder ihm noch irgendeinem Kollegen, den er kenne, jemals passiert. Oft gehe es in den Gesprächen um Einsamkeit, um Krankheiten. Dass manche Menschen ohne Aussicht auf Linderung sich nach einem erlösenden Tod sehnen, kann er verstehen. Beim Thema „Sterbehilfe“ sieht er „für den Menschen eine rote Linie“, sucht aber selbst noch nach Antworten: „Das ist ein ethisches Gebiet, bei dem ich noch nicht am Ende bin.“ Die eigene Supervision und der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen sind ihm bei der Suche nach Antworten sehr wichtig.
Elektronische Hilfen unterstützen ihn: „Ich habe alle Texte auf dem Tablet, helle Schrift auf dunklem Grund sehe ich besser.“ Wenn er zu einer Trauerfeier außerhalb, etwa nach Reichenbach muss, bittet er die Angehörigen, ihn zu fahren. „Das wurde noch nie abgelehnt.“