Es ist Winter und damit Erkältungszeit. In Bus und Bahn, bei der Arbeit oder im Einkaufszentrum – ganz egal wo, überall schniefen die Leute. Davon sind auch die die Schulen nicht ausgenommen. Wie sieht es an den Schulen in Kirchheim und der Region aus – können die Krankheitsfälle unter den Lehrern aufgefangen werden?
Nach Aussage von Mira Hartwig, der Vorsitzenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Esslingen-Nürtingen, ist eine ausreichende Vertretung aufgrund des aktuellen Lehrermangels nicht unproblematisch. „Gerade Grundschulen und Sonderbildungszentren sind vom Lehrkräftemangel besonders stark betroffen.“ An vielen Schulen sei es daher schon zu Unterrichtskürzungen gekommen. „Häufig werden die Kürzungen in den Fächern wie Sport, Musik, Bildende Kunst oder den sogenannten Mangelfächern wie Physik oder Chemie vorgenommen“, sagt Mira Hartwig. Das wird auch den Vorsitzenden des Kircheimer Gesamtelternbeirats, Stefanie Rau und Aline Theodoridis, von vielen Eltern berichtet: „Als Erstes werden die vermeintlich unwichtigen Fächer wie Sport, Kunst oder der zusätzliche Förderunterricht gestrichen, obwohl wir gerade diese Fächer für sehr wichtig halten.“
Immer mehr Teilzeit
Corina Schimitzek, die Leiterin des Schulamts Nürtingen, kann hier keine Tendenz bestätigen, dass bestimmte Schularten besonders stark vom Lehrermangel betroffen sind. Jedoch gelte: Je kleiner die Schule, desto schwieriger seien Ausfälle aufzufangen. Eine Besonderheit bestünde darin, dass noch nie so viele Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit arbeiteten wie heute. Könnte das nicht der Schlüssel zur Lösung sein? Im Krankheitsfall einfach die Stunden der Teilzeitkräfte aufstocken. So einfach sei das nicht. Viele Teilzeitkräfte hätten ihrerseits Probleme, die eigenen Kinder betreuen zu lassen – da es ebenso an Kita-Plätzen mangele. Da sehe man ganz deutlich, wie die einzelnen Problemfelder zusammenhängen. Pädagogische Assistenzen scheinen noch eine gute Hilfe zu sein. Aber auch hier meint Corina Schimitzek ernüchtert: „An einigen Schulen sind Stellen offen geblieben.“ Grund hierfür: Es würden nicht genügend Menschen nachkommen. Es gebe weniger Kinder, weniger Nachwuchs – der Personenkreis sei endlich. Hans-Ulrich Lay, der stellvertretende Schulleiter des Schlossgymnasiums in Kirchheim, möchte sich nicht beklagen: „Wir sind hier eigentlich ganz gut versorgt.“ Er habe das Gefühl, dass Kirchheim im Speckmantel Stuttgarts ein sehr beliebter Lehrort sei, für den sich viele Lehrkräfte bewerben. Im Krankheitsfall wäre aber auch hier die Reserve ganz dünn.
Kleine Schulen sind beliebter
Corina Schimitzek ordnet das Ganze etwas anders ein: Die Größe der Schule sei ein wichtiges Kriterium. So würden sehr große Schulen nicht gerne gewählt werden. Außerdem wären Gegenden mit einer Ausbildungsstelle für Fachlehrer beliebter. „Es scheint so, als würden sich die Fachlehrer lieber für Schulen bewerben, in denen sie schon während ihrer Ausbildung tätig waren.“ Außerdem würden viele Schulen an einem Ort eher abschreckend wirken. Ganz generell ließe sich aber kein Problembezirk ausmachen. Im einen Jahr wäre es so und im nächsten wieder anders – ein Muster sei nicht zu erkennen.
Die Belastung der Lehrkräfte würde durch den Lehrkräftemangel noch verschärft. Bei der GEW gehen spürbar mehr Anfragen zur Berufsaufgabe, beruflichen Veränderung und zur Arbeitsbelastung ein. Daher sei es zwingend notwendig, etwas zu ändern. „Es braucht in allen Bereichen der Schule mehr Personal: mehr Schulsozialarbeit, Schulpsychologinnen und -psychologen, pädagogische Assistentinnen und Assistenten und mehr Verwaltungsangestellte, um die Schulleitung zu entlasten“, sagt Mira Hartwig. Der Gesamtelternbeirat mahnt ebenso an: „Der Mangel an Krankheitsvertretungen darf nicht zum Dauerzustand werden. Wir wünschen uns nicht nur eine stärkere Besetzung, damit der Regelunterricht gewährleistet ist, sondern auch, um von Anfang an in kleineren Klassen zu starten.“
Der Lehrkräftemangel besteht oft schon zu Schuljahresbeginn. Mira Hartwig von der GEW erläutert, wie der Krankheitsfall aufgefangen wird.
„Handschlaglehrkräfte“ wie pensionierte oder beurlaubte Lehrkräfte springen im besten Fall ein.
Die Stunden der Teilzeitkräfte aufzustocken ist auch möglich. Das ist aber in vielen Fällen mit erheblichem familiären Stress verbunden.
Einstellung von befristet beschäftigten Krankenvertretungen stellt auch eine mögliche Strategie dar, wobei diese überwiegend Personen ohne Lehrbefähigung, sogenannte POL, sind.
Mehrarbeit trifft bestehende Lehrkräfte oft kurzfristig und führt dazu, dass diese einzelne Stunden oder ganze Klassen übernehmen müssen.
Eine „Mitversehung“ gibt es auch noch. „Das bedeutet, dass eine Lehrkraft zwei Klassen geleichzeitig in verschiedenen Räumen beaufsichtigt.“ Dadurch sind zwar beide Klassen in verschiedenen Räumen beaufsichtigt, es findet aber kein regulärer Unterricht statt.