Kirchheim
Es gibt zu wenig Auszubildende

Arbeitsmarkt Die Zahl der Ausbildungsplätze steigt, die Zahl der Bewerber sinkt. Die Agentur für Arbeit kämpft mit individuellen Angeboten gegen den Mangel. Von Katharina Daiss

Immer mehr klafft die Anzahl derer, die sich für eine Ausbildung bewerben möchten, und die Zahl der Ausbildungsplätze, die besetzt werden müssen, auseinander: Im Bezirk der Agentur für Arbeit Göppingen, zu dem auch der Landkreis Esslingen zählt, ist die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber in diesem Jahr erneut gesunken. In Kirchheim boten die Unternehmen 627 Ausbildungsplätze an, es gingen jedoch nur 410 Bewerbungen ein. Der Trend der Vorjahre setzt sich also fort.

 

Die Entwicklung vom Ausbildungsmarkt
hin zum Bewerbermarkt setzt sich fort.
Karin Käppel
Leiterin der Agentur für Arbeit in Göppingen

 

Die Situation besorgt den Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in Kirchheim, Tobias Krause: „Wir haben viel weniger Bewerber, als wir haben müssten“, fasst er die aktuelle Lage zusammen. Tobias Krause erklärt, dass es eigentlich genug Nachwuchs an den Schulen gibt, doch zu wenige der jungen Leute entscheiden sich letztlich für eine Ausbildung.

Unsicherheit ist laut Tobias Krause der Grund für den negativen Trend: Vielen haben zu wenig bis keine Praktika gemacht. Außerdem befindet sich die Arbeitswelt im Umbruch. „Stellen Sie sich ein Kind vor, das entscheiden soll, was es essen will – ohne die Gerichte je probiert zu haben“, sagt Markus Knorpp, Teamleiter der Berufsberatung der Arbeitsagentur Göppingen. Ebenso müsse es den jungen Menschen gehen, die sich ohne Einblicke in die Berufe und Unternehmen für eine Ausbildung entscheiden sollen.

Markus Knorpp führt aus, dass sich weitere Gründe für die Zögerlichkeit in den aktuellen Krisen finden lassen. Auch die generelle Akademisierung und der Anstieg an Abiturienten spielten eine Rolle. Bei all dem Wandel und der Unschlüssigkeit fehle schlicht der rote Faden, eine Orientierungsmöglichkeit. Und genau an dieser Stelle setzen die Berufsberater der Agentur für Arbeit an.

Es muss „matchen“

„Das Grundproblem der Berufswahl heißt auf neudeutsch ‚Matching‘“, sagt Markus Knorpp. Das bedeutet, dass Bewerber und Beruf zusammenpassen müssen. Um die Ausbildungs-Anwärter zu unterstützen, ist die Beratung der Agentur für Arbeit individueller geworden: Im vergangenen Jahr wurden rund 12 000 Personen allein in der Agentur beraten. Doch im Vergleich zu früher, als viele Interessenten nur einmal beraten wurden, stehen heute pro Person zwei bis drei Termine an.

Auch für schwächere Bewerberinnen und Bewerber hält die Agentur für Arbeit individuelle Angebote bereit. Ein nicht ganz passender Bewerber kann beispielsweise durch Förderunterricht passend gemacht werden. „Assistierte Ausbildung“ nennt sich das Angebot. Es kann schon vor der Ausbildung greifen, die Ausbildung aber auch begleiten.

Die Berufsberater tun ihr Möglichstes, um alle Interessenten fit für die Ausbildung zu machen, denn allein in Kirchheim kommen auf einen Bewerber im Schnitt 1,6 Ausbildungsstellen. „Die Bewerberinnen und Bewerber können aus dem Vollen schöpfen“, formuliert Tobias Krause den negativen Trend positiv.

Trotz der positiven Sichtweise bereitet eines Karin Käppel, der Leiterin der Agentur für Arbeit Göppingen, jedoch Magenschmerzen: „Wie können wir den Wert der Ausbildungen verdeutlichen?“ Sie betont, dass die Unternehmen an der Ausbildung festhalten und die Angebote sogar steigen. Doch trotz des „tollen Signals“ blieben 348 Ausbildungsstellen allein im Landkreis Esslingen unbesetzt.

Doch die Unternehmen lassen nicht locker: Wer dieses Jahr nicht genügend Auszubildende gefunden hat, hofft auf das kommende Jahr: „Viele Ausbildungsplätze sind schon jetzt freigeschaltet“, berichtet Karin Käppel.

 

Welche Berufe interessieren Bewerberinnen und Bewerber?

Vor allem fehlten Bewerberinnen und Bewerber im Einzelhandel, bei Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten, im Fleischer- und Bäckerhandwerk sowie in Hotel- und Gaststättenberufen, als Fachinformatiker für Systemintegration und im Friseurhandwerk. 

Handwerkliche Berufe sind bei den Männern voll im Trend. Die meisten wollen Kfz-Mechatroniker oder Industriemechaniker werden. Neu in den Top-Drei ist die Ausbildung zum Anlagenmechaniker in den Bereichen Sanitäts-, Heizungs- und Klimatechnik.

Bei den Frauen sieht die Liste der Berufswünsche ganz anders aus: Ein Großteil will Kauffrau oder Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte werden. Auch die Kommunalverwaltung und die Krankenversicherung gehören zu den beliebtesten Branchen. kd