Kirchheim
„Es ist vollbracht“

Karfreitag Kantor Ralf Sach und Pfarrer Axel Rickelt verbinden Wort und Musik zu einer berührenden Einheit. Von Rainer Kellmayer

In der Passionsmusik nehmen Joseph Haydns „Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze“ eine Sonderstellung ein. Beim musikalischen Gottesdienst zur Todesstunde Jesu stellte am Karfreitag Pfarrer Axel Rickelt in der Martinskirche diese beeindruckende Musik ins Zentrum des liturgischen Gesamtkonzepts. Er orientierte sich an der Erstaufführung vom Karfreitag 1787 in der Kapelle Santa Cueva im spanischen Cádiz: Jedem der von den Evangelisten überlieferten letzten Jesus-Worte ließ er ein Gebet folgen, dann setzte die Musik eine Zäsur.

Bezirkskantor Ralf Sach hatte Haydns Oratorien-Fassung gewählt, die der Meister einst aus sieben Adagios, die ursprünglich in reiner Streicherbesetzung vorlagen, zur Textdichtung Gottfried van Swietens für Chor, Soli und Instrumentalisten umgearbeitet hatte. Da in Corona-Zeiten Gesang in großer Chorbesetzung nicht möglich ist, wurde der vokale Part einem Oktett des Kirchheimer Kammerchors übertragen.

Musik wird zum Erlebnis

Eine überzeugende Lösung: Sybille Scheufele und Verena Jogwer (Sopran), Heike Wagner und Esther Müllerschön (Alt), Rolf-Rüdiger Most und Rüdiger Linn (Tenor) woben zusammen mit den Bassisten Steffen Weigel und Peter Gölz einen dichten Klangteppich voller Intensität. Mehr noch: Sauber intoniert und mit schön abphrasierten Endungen machte das Ensemble Haydns packende Musik zum Erlebnis. Dabei bewegte sich das Oktett stilsicher zwischen spannungsvoll nachgezeichneten Melodien und gewaltigen dynamischen Ausbrüchen.

Von der Truhenorgel aus leitend, motivierte Ralf Sach die Akteure mit energischem Dirigat. Er lotete die Tiefe der Partitur aus und ließ, bei aller Ruhe in der Linienführung, der Musik ihren steten Fluss. Besondere Akzente setzte Rüdiger Linn vom SWR-Vokalensemble. Immer wieder ließ er helle Tenorlinien durchschimmern, legte in „Mutter Jesu“ eine strahlende Tonspur und kontrastierte das klangprächtige Chor-Unisono „Es ist vollbracht“ mit sicher gesetzten solistischen Spitzentönen.

Der instrumentale Part war beim Streichquintett der Familie Kefer in besten Händen. In gut abgestimmtem Zusammenspiel mit ihren Kindern Anna, Greta und Clara sorgten Katharina Kefer (Violine) und Jochen Kefer (Violoncello) in den blockhaft gesetzten Akkorden der Einleitung für schroffe Kontraste. Wie die Streicher die dynamischen Konturen nachzeichneten, Haydns Tongeflecht mit differenziert gesetzten Klangfarben plastisch machten und zwischen meditativer Ruhe und Eruptionen changierten - all dies zeugte von instrumentalem Können und sensibler Musikalität.

In einer Meditation würdigte Axel Rickelt Haydns Vertonung. Sie sei keine plakative Filmmusik, sondern biete als Ausdruck des Passionsgeschehens tiefempfundene Menschlichkeit jenseits von Rache und Verzweiflung, die in schwierigen Zeiten ein Licht leuchten lasse. Jesusworte, Gebete und kommentierende Betrachtung verwuchsen mit der Musik zu einer Einheit: Tief berührt wurden die Besucher nach dem Verklingen der Friedensglocke in den Karfreitagabend entlassen.