Igelschutz
Es steht schlecht um die Igel

Der Igelbestand in Deutschland schwindet kontinuierlich. Sandra Nebe, Leiterin des Kirchheimer Tierheims, erklärt, mit welchen Bedrohungen die heimische Igelpopulation zu kämpfen hat und wie den Tieren geholfen werden kann.

Auch im Kirchheimer Tierheim werden regelmäßig verletzte und geschwächte Igel aufgenommen. Foto: Marleen Job

Einem Igel bei Tageslicht über den Weg zu laufen, ist längst keine Seltenheit mehr. Das mag zunächst ein süßer Anblick sein, ist in der Regel aber kein gutes Zeichen, stellt Sandra Nebe, Leiterin des Kirchheimer Tierheims, klar. Der Igel sei das Wildtier, das am häufigsten aufgrund von Krankheiten oder Verletzungen in die Obhut von Menschen komme, bedauert die Kirchheimerin. „Wir sehen, dass die Not der Igel jedes Jahr zunimmt.“

Bis zur Hochsaison der stacheligen Tierchen wird es nicht mehr lange dauern. Anders als die meisten heimischen Wildtierarten bekommen Igel ihren Nachwuchs nicht im Frühjahr; die meisten Babys erblicken in den Monaten Juli bis September das Licht der Welt. Den Kleinen bleibt dementsprechend nur wenig Zeit, um sich das nötige Speckpolster für den Winterschlaf anzufressen, und das gestaltet sich für die Igel mit jedem Jahr schwieriger.

Nahrungsquellen schwinden

Igel sind reine Insektenfresser, die sich zum Großteil von Larven und Laufkäfern ernähren. Deren Bestand hat sich mittlerweile jedoch um 80 Prozent reduziert, berichtet Sandra Nebe. Es gebe deutlich zu wenig naturbelassene Flächen, auf denen sich die Insekten ansiedeln können. Die Stacheltiere müssen auf der Suche nach Nahrung daher weite Strecken zurücklegen, was nicht nur Energie kostet, sondern auch mit vielen Gefahren verbunden ist.

Um nicht zu verhungern, fressen die unterernährten Igel Schnecken oder Regenwürmer und infizieren sich dabei leicht mit Innenparasiten. „In letzter Zeit haben wir viele Tiere, die aufgrund des Befalls mit Lungen- oder Lungenhaarwürmern an schlimmen Atemwegsinfektionen leiden“, so Sandra Nebe. Erst vor kurzem habe eine aufmerksame Dame ein Tier vorbeigebracht, das von solchen Parasiten befallen war. Das Igelmädchen, das auf den Namen Nessa getauft wurde, wird aktuell von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Tierheims gepflegt.

Motorisierte Gefahr

Hinzu kommt, dass sich die Igel mittlerweile nicht nur vor ihren natürlichen Feinden hüten müssen. Auf den Straßen lauern tonnenschwere Fahrzeuge, doch auch im Grünen sind die Igel nicht mehr sicher. Während motorisierte Werkzeuge wie Mähroboter oder Rasentrimmer die Gartenarbeit für den Menschen leichter machen, können sie für die Tiere zur tödlichen Bedrohung werden. Statt wegzulaufen, rollen sich Igel bei drohender Gefahr zu einer Kugel ein und vertrauen auf den Schutz ihrer Stacheln. Das ist ein wirksamer Abwehrmechanismus gegen Raubtiere, den Maschinen können die Stacheln jedoch nichts anhaben. Vor allem kleine Igel werden von den Mährobotern nicht als Hindernis wahrgenommen und von den scharfen Klingen erfasst, erzählt Sandra Nebe. „Es gibt immer mehr Igel mit schlimmsten Verletzungen wie Skalpierungen, Amputationen von Gliedmaßen und tiefen Schnittwunden.“

Igelschutz im Alltag

Noch werden die Stacheltiere in Deutschland offiziell nicht als gefährdet eingestuft. Mittlerweile steht der Braunbrustigel jedoch auf der Vorwarnliste und könnte die Rote Liste der gefährdeten Säugetiere in der Zukunft um eine Wildtierspezies ergänzen. Damit es nicht soweit kommt, appelliert Sandra Nebe an die Menschen, mit denen sich die Igel ihren Lebensraum notgedrungen teilen: Wer einen Mähroboter besitzt, soll diesen, wenn überhaupt, nur tagsüber und unter Aufsicht laufen lassen. Unter Hecken und Sträuchern soll am besten gar nicht gemäht werden.

„Am meisten wäre uns und den Tieren geholfen, wenn mehr Menschen ihre Gärten, oder zumindest einen Großteil davon, natürlich belassen würden“, meint die Tierschützerin. So haben es die Igel durch eine insektenfreundliche Bepflanzung der Grünflächen leichter, ausreichend und artgerechte Nahrung zu finden. Ebenfalls bieten dicht bewachsene Gärten den Tieren mehr Rückzugsmöglichkeiten. Es ist bereits eine Hilfe, Laub und Reisig während der Herbstmonate liegenzulassen, um Igeln und Insekten einen Unterschlupf zu bieten.

Auch kann einzelnen Tieren beim Aufbau ihres Winterspecks unter die Arme gegriffen werden. Wer einen stacheligen Bewohner in seinem Garten hat, kann diesem bei Dämmerung hochwertiges Katzenfutter anbieten. Dabei ist wichtig, darauf zu achten, dass das Futter einen Fleischanteil von mindestens 60 Prozent aufweist und weder Zucker noch Getreide enthält. Auch Soßen und Gelees sind tabu, da diese bei den Tieren Verdauungsprobleme auslösen können.

An heißen Sommertagen kann eine flache Schale Wasser wiederum Wunder bewirken – nicht nur für die Igel, sondern auch andere durstige Tiere.

Wie hilft man einem verletzten Igel? 

Ist ein Igel tagsüber aktiv, kann es sich zudem lohnen, einen zweiten Blick auf das Tier zu werfen. „Meist sind es geschwächte und stark ausgehungerte Tiere, die mit Tagaktivität auffallen“, erklärt Sandra Nebe. Unterernährte Igel könne man an einer sichtbaren Einkerbung zwischen Kopf und Rücken, einem sogenannten Hungerknick, erkennen.

Stellt man diesen oder eine andere Verletzung bei einem Igel fest, hat die sichere Unterbringung des Tiers die oberste Priorität. Am besten eignet sich dafür ein verschlossener Pappkarton mit ausreichend Luftlöchern. Erwachsenen Tieren kann eine Schale mit Wasser beigestellt werden; zwanghaftes Einflößen von Wasser oder Nahrung ist aber unbedingt zu unterlassen.

Anschließend empfiehlt Sandra Nebe, die Profis ans Werk zu lassen und eine Igelstation zu kontaktieren, die für die Versorgung der Tiere ausgestattet ist. Die nächstgelegenen Stationen sowie Experten, die in dringenden Fällen telefonisch Hilfestellung geben, lassen sich in der Regel leicht über das Internet ausfindig machen. Gerade in den Hochzeiten sind die Pflegestationen jedoch oft überfüllt und können keine weiteren Tiere mehr aufnehmen. Sofern noch Kapazität für weitere Tiere besteht, schenkt auch das Kirchheimer Tierheim verletzten oder angeschlagenen Tieren vorübergehend ein Zuhause, bis sie im besten Fall wieder ausgewildert werden können. 

Auch in Wendlingen gibt es eine Igelstation für in Not geratene Tiere, die unter der 0 70 24/46 79 75 erreichbar ist.