Heute sind es auf den Tag genau 25 Jahre, in denen sich Jutta Ziller mit Herz und Seele im Mehrgenerationenhaus Linde in Kirchheim für Menschen starkmacht. Nach einer so langen Zeit könnte man meinen, dass es ihr so langsam langweilig wird – doch darüber kann Jutta Ziller nur lachen: „Bestimmt nicht. Es gibt immer wieder neue Themen, für die man sich engagieren kann.“
Bei uns darf jeder genau so sein, wie er ist.
Jutta Ziller über die wohl beste Eigenschaft des Mehrgenerationenhauses Linde
Ihr Herzensprojekt ist das „Kult-Ur Open-Air“ in Weilheim. Dabei steht einmal im Jahr drei Tage am Stück vor allem eines auf dem Programm: Rockmusik. „Es kommen alle zusammen, ganz egal, ob Jung oder Alt.“ Nicht nur das Festival selbst, sondern auch die Vorarbeit liegt Jutta Ziller am Herzen. Es helfen immer zahlreiche Ehrenamtliche mit. „Auf sie kann ich mich zu 100 Prozent verlassen.“
Und obwohl einige praktisch schon zur Stammbesetzung gehören, kommen auch immer neue dazu und bringen Ideen ein. „Wir sind sehr offen für jeden, der mitmachen möchte. Die wahrscheinlich beste Eigenschaft der Linde ist es, dass bei uns jeder genau so sein darf, wie er ist.“ Der Zahl der Ehrenamtlichen nach zu urteilen, scheint das gut anzukommen. Die Notzingerin überschlägt: „Wir haben wahrscheinlich rund 100 Ehrenamtliche.“
Themen, die hochkochen
Wenn Jutta Ziller im Geiste ihren Blick über die vergangenen 25 Jahre schweifen lässt, findet sie ein paar Themen, die immer wieder präsent sind – wie etwa Kinderarmut oder Einsamkeit. Damit Kinder nicht ausgeschlossen werden, sondern dabei sein können, leistet die Linde einen Beitrag und verleiht kostenlos an sieben Tagen in der Woche am Bikepark Fahrräder.
Rassismus sei ein Thema, das vor allem in den 2000ern hochkochte. Damals seien in der Linde auch Fenster eingeschlagen worden. „Bei allen Themen gilt bei uns: Jeder darf sagen, was ihn stört und belastet. Wir wollen niemandem sofort das Wort verbieten.“ Natürlich gebe es Regeln: So dürfe beispielsweise niemand rassistische Hetze betreiben, sich frauen- oder queerfeindlich äußern. Die Notzingerin betont: „Dafür gibt es in der Linde keinen Raum.“
Aktuell hätten viele Jugendliche aufgrund der unterschiedlichen Unsicherheiten in der Gesellschaft mit psychischen Problemen zu kämpfen. „Es ist unsere Aufgabe, auf die Menschen einzugehen und uns den Themen zu widmen, die sie beschäftigen. Mit unserer Tradition als Jugendhaus nehmen wir immer die Sichtweise der Jugendlichen ein“, sagt die Sozialpädagogin. „Jugendliche sind grundsätzlich in der Unterzahl, sie haben keine Lobby. Deshalb stehen wir für sie ein.“ Ganz konkret heißt das: „Als beispielsweise die Fridays-for-Futures-Bewegung begann und auch die Jugendlichen in Kirchheim etwas für die Umwelt tun wollten, haben wir umgedacht: So gibt es in der Linde etwa nur Hafermilch und kein Fleisch mehr.“
Nirgendwo sonst arbeiten
Für Jutta Ziller kam es nie infrage, woanders als in der Linde zu arbeiten. Sie hat nach der Schule Soziale Arbeit in Stuttgart studiert; bereits mit 21 Jahren hatte sie ihr Studium in der Tasche. Nach einem kurzen Zwischenstopp führte sie ihr Weg im Jahr 1999 direkt nach Kirchheim in die Linde. Als Sozialpädagogin begann sie im Bereich der Jugendkultur, 2014 übernahm sie die Einrichtungsleitung.
Zunächst sei von einem Mehrgenerationenhaus noch keine Rede gewesen. „Die Linde war ein ganz klassisches Jugendhaus. Weil es jedoch immer weniger junge Menschen gab, dafür aber immer mehr ältere, gab es den politischen Impuls, aus dem Jugend- ein Mehrgenerationenhaus zu machen.“ Es wurden Strategien entwickelt, um Jung und Alt zusammenzubringen. Eines der daraus entstandenen Projekte ist das Flamencotanzen: „Junge Mädels und Seniorinnen kommen zusammen und tanzen – bestimmt schon seit 20 Jahren.“
Nicht nur die vielen unterschiedlichen Menschen in der Linde würden das Arbeiten bunt und vielfältig machen, sondern auch die Rotation im Team: „Wir schubsen uns die Arbeitsbereiche hin und her“ – je nach Alter und Interessen. So gelang es Jutta Ziller, in jeder Lebenssituation ein passendes Plätzchen in der Linde zu finden. Als sie ihr Kind bekam, konnte sie mehr Verwaltungsarbeit machen. Eine Zeit lang beschäftigte sie sich intensiv mit Theater, dann arbeitete sie mit Senioren oder Kleinkindern, brachte sich beim Sommerferienprogramm ein und vieles mehr. „Die Arbeit hier ist auch mein Leben“, betont Jutta Ziller. „Wäre es nicht so, dann wäre ich nicht geblieben.“