Zwei Tage vor dem großen Libyen-Gipfel in Berlin steht Bundesaußenminister Heiko Maas auf dem Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands am Rednerpult im voll besetzten Udeon in Unterensingen und betont, wie zentral ein gemeinschaftliches Auftreten Europas ist. Ob im Rahmen internationaler Konflikte oder bei nationalen und internationalen Herausforderungen wie dem Rechtspopulismus, der Globalisierung der Wirtschaft, dem Klimawandel oder der Digitalisierung.
Angesichts des aktuell sehr vollen Terminkalenders des deutschen Außenministers ist es schon etwas Besonderes, dass er sich die Zeit nimmt, in den Kreis Esslingen zu reisen. Im Plauderton spricht Maas zunächst über seinen regionalen Bezug, den er zwei Frauen zu verdanken habe: Die eine dürfte seine aus Stuttgart stammende Lebensgefährtin, Schauspielerin Natalia Wörner, sein. Die andere ist Dr. Katharina Stasch. Die Chefin des Leitungsstabs im Auswärtigen Amt stammt aus Owen.
Einen Tag zuvor war Maas noch im libyschen Bengasi und traf sich mit General Chalifa Haftar, einem der Hauptakteure des Bürgerkriegs. Zwei Tage nach der Stippvisite in Unterensingen fand am gestrigen Sonntagnachmittag der große Libyen-Gipfel in Berlin statt. Kanzlerin Angela Merkel empfing Vertreter aus mehr als zehn Ländern, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Ob es zu einer Einigung komme und damit auch die angestrebte politische Friedenslösung für Libyen auf den Weg gebracht werde, wisse er nicht, erklärte Heiko Maas am Freitagabend. Deutschland sei aber bereit, Verantwortung zu übernehmen und tue das auch bisher schon in großem Ausmaß mit 3500 deutschen Soldaten an zehn Außeneinsatzorten.
Auch im Konflikt zwischen den USA und dem Iran müsse verstärkt auf eine diplomatische Lösung gesetzt werden. Maximaler Druck führe zu nichts: „Wir wollen reden, nicht schießen. Es kommt auf die größtmögliche Zurückhaltung aller Seiten an“, erklärte der Außenminister und verwies auf die „Absurdität der militärischen Logik“, die sich bei den Ereignissen der vergangenen Tage deutlich gezeigt habe: Die Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA, die iranischen Raketenangriffe auf US-Militärbasen und der versehentliche Abschuss eines Passagierflugzeugs mit hauptsächlich Iranern an Bord bezeichnete Maas als „kompletten Wahnsinn“. Er zeigte sich optmistisch: „Deutschland und Europa sind in einer Verfassung, in der wir alle Herausforderungen meistern können, wenn wir das zusammen tun.“ So habe Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien den Streitschlichtungsmechanismus gestartet, „weil wir es nicht mehr länger hinnehmen wollen, dass sich der Iran seinen Verpflichtungen im Atomabkommen entzieht“, betonte der Bundesaußenminister.
Für die Stabilität im gesamten Nahen und Mittleren Osten sei es zudem von großer Bedeutung, dass keiner aus dem Irak abgezogen werde, der sich im Anti-IS-Kampf engagiere. Das bisher Erreichte müsse bewahrt und fortgesetzt werden.
Europa funktioniere nur als Einheit, hob Maas hervor. Dazu gehöre, dass man Nationalisten und Rechtspopulisten national und international gemeinsam entgegentrete. Weitere Themen seien die Internationalisierung der Wirtschaft und der Klimawandel.
„Für eine digitale Souveränität“
Besonderes Augenmerk richtete er auf die Digitalisierung: Im amerikanischen Silicon Valley stehe die Profitmaximierung im Zentrum, China fokussiere sich auf die digitale Überwachung der eigenen Bürger. „Wir brauchen für uns einen europäischen Weg, eine digitale Souveränität“, sagte Maas. Europa müsse auf internationalem Parkett gemeinschaftlich für seine Interessen einstehen. Bei all den Herausforderungen und Konflikten müsse man sich jedoch bewusst machen, wie gut es den Deutschen eigentlich gehe. Als Stichworte nannte Maas Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Freiheit und den Wohlstand. Dass außerhalb Deutschlands oft besser über das Land gesprochen werde als in Deutschland selbst, gebe ihm zu denken. Europa sieht der Außenminister als „erfolgreichstes Friedensprojekt aller Zeiten.“ Dafür müsse man allerdings auch deutlich eintreten. Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken dürfe man nicht stillschweigend hinnehmen: „Worte führen hier immer öfter zu Taten. Da muss sich jeder Einzelne fragen, was er dagegen tun kann“, so Maas. Oberstes Ziel sei der Respekt der Menschen im Umgang miteinander.