Deutschland ist ihm längst eine neue Heimat geworden: „Kirchheim ist mit mir verbunden“, sagt Azaz Azaz schmunzelnd. Gut sieben Jahre lebt er nun schon hier. Seine Heimat Pakistan musste er im Jahr 2016 verlassen – aus politischen und religiösen Gründen. Azaz Azaz ist nämlich Christ. In Pakistan zählt er deshalb zu einer verfolgten Minderheit. Traditionelle Kirchen besitzen dort zwar eine gewisse Freiheit. Sie werden jedoch überwacht und waren wiederholt Ziel von Bombenanschlägen. In Pakistan leben Christen in ständiger Angst vor der Vernichtung ihres Eigentums, vor Inhaftierung und Hinrichtung.
dass die Leute Angst vor Fremden haben.
„Christen dürfen öffentlich nicht ihre eigene Meinung sagen“, berichtet Azaz. Zu groß ist die Gefahr, in einem Land, das die Scharia als Element seines Zivilrechts akzeptiert, vom rufschädigenden und potenziell tödlichen Verdikt der Blasphemie getroffen zu werden. Obwohl sie weniger als zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind Christen von etwa einem Viertel aller Blasphemievorwürfe betroffen. Religiöse Minderheiten werden regelmäßig Opfer gewalttätiger Ausschreitungen.
Erst im August dieses Jahres zerstörten Extremisten in der Stadt Jaranwala die Häuser von rund 100 christlichen Familien. Azaz’ Heimatstadt Sialkot liegt ganz in der Nähe und gehört ebenfalls zur Provinz Punjab. Punjab ist diejenige Region mit den meisten Christen, aber auch mit der intensivsten Verfolgung und Diskriminierung.
Student der Biotechnologie
Obwohl er in Pakistan mitten im Studium der Biotechnologie gestanden und eine eigene Import-Export-Firma geführt hatte, war auch Azaz eines Tages zur Flucht gezwungen. „Der plötzliche Aufbruch und der Bruch mit meinem bisherigen Leben war hart“, erinnert sich der heute 28-Jährige. Ein Visum für den Schengen-Raum ermöglichte es ihm, über Polen nach Deutschland zu kommen.
Die Anfangszeit in Kirchheim nutzte Azaz intensiv, um Deutsch zu lernen. Parallel verdiente er sein eigenes Geld mit diversen Jobs von Zeitarbeitsfirmen. Das half, den deutschen Alltag kennenzulernen. „Und natürlich war das auch für meinen Spracherwerb nützlich“, blickt er pragmatisch auf diese Zeit zurück.
Ausbildung zum examinierten Altenpfleger
Es folgte die Ausbildung zum examinierten Altenpfleger bei der evangelischen Heimstiftung in Dettingen. Seit gut zwei Jahren hat Azaz nun einen festen Arbeitsvertrag im Johanniterstift in Plochingen. Mittelfristig kann er sich auch eine Tätigkeit im IT-Bereich vorstellen. Hier könnte er Vorkenntnisse einbringen, die er bereits im Zuge seiner akademischen Studien in Pakistan erworben hat.
Dankbar ist er, dass es viele Menschen gab, die ihn während der ersten Jahre in Deutschland tatkräftig unterstützt haben. Dennoch lief nicht alles reibungslos. Sein Antrag auf Asyl gestaltete sich schwierig, weil den Gerichten die Situation der Christen in Pakistan nicht akut genug schien. Auch das monatelange Bangen um eine behördliche Entscheidung erwies sich als psychische Zerreißprobe – insbesondere weil derselbe Vorgang andernorts sehr viel schneller lief.
Mit bürokratischen Hindernissen ist zudem die erhoffte Familienzusammenführung behaftet. Um seine bereits Deutsch lernende Frau nachholen zu können, muss ein Visum beantragt werden. Auf einen Termin bei der zuständigen deutschen Botschaft in Islamabad warten die Eheleute bereits fast ein Jahr: „Ich habe versucht, Kontakt zur Botschaft aufzunehmen und zahlreiche Mails geschrieben, aber sie haben nie geantwortet.“
Obwohl Azaz Azaz ein polyglotter Mensch ist und neben vier anderen Sprachen sehr gut Deutsch spricht, sind in seinem Freundeskreis nur wenig Deutsche. Azaz hat den Eindruck, dass seitens der Einheimischen eine gewisse Reserviertheit besteht, unbefangen auf Menschen anderer Kulturen zuzugehen. „Ich hatte anfangs den Eindruck, dass die Leute Angst vor Fremden haben“, erzählt Azaz.
Reden, um Ängste abzubauen
Er gibt zu bedenken, dass auch Migranten unsicher sind und Hemmungen haben, sich der ungewohnten Landessprache zu bedienen. „Aber wie wollen wir einander kennenlernen, wenn wir nicht miteinander reden?“, fragt Azaz Azaz. Daher ermutigt er Neuankömmlinge wie Alteingesessene zum gegenseitigen Dialog: „Miteinander reden, reden, reden – dann verlieren beide Seiten ihre Ängste.“
Angekommen. In einer Serie stellt der Teckbote geflüchtete Menschen aus Kirchheim vor, denen es gelungen ist, sich zu integrieren. Ihre Lebenswege sind auch Thema der aktuellen Ausstellung „Wir.Gemeinsam!“. Sie ist noch bis Ende November im Kirchheimer Rathaus und anschließend im Kirchheimer Bürgertreff zu sehen.