Kirchheim. Wenn der Digitalisierung die Zukunft gehört, dann hat diese Zukunft spätestens mit der Coronakrise begonnen: Um persönliche Kontakte zu vermeiden, bleibt außer dem Telefon nur der digitale Weg, um privat oder beruflich mit anderen Menschen zu kommunizieren. Das gilt sogar für Behörden, die wegen der Coronagefahr für Publikum gesperrt sind.
Insofern hat sich der Kirchheimer Gemeinderat kurz vor der coronabedingten Schließung des Rathauses noch mit einem wichtigen Thema befasst: mit der Bewerbung zum „Smart City“-Modellprojekt. Hier winken Zuschüsse in Höhe von drei Millionen - für eine Aufgabe, der sich die Stadt ohnehin schon verschrieben hat. Den Grundsatzbeschluss in Richtung „Smart City“ hatte der Gemeinderat ja längst gefasst.
Nun ging es also darum, sich für das Modellprojekt und den damit verbundenen Zuschuss zu bewerben. Aber die Sache hat gleich mehrere Haken: Für die Bewerbung braucht es ein neues Konzept, das noch nicht ausformuliert in der Strategieschublade liegt. Einzureichen ist die Bewerbung aber bereits jetzt im April. Zusätzlich verzögert sich durch den Zuschussantrag - oder durch das Warten auf die Bewilligung - die Möglichkeit, bereits aktiv zu werden. Die geplante Digitalisierung der Kirchheimer Parkhäuser würde also länger auf sich warten lassen als eigentlich gedacht.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann sprach deshalb von einem großen Dilemma: „Wir machen hier ein Digitalisierungs-Puzzle - mit ganz vielen Projekten und Veranstaltungen.“ Das neue Zuschussprojekt bringe der Stadt zwar drei Millionen Euro. Zusätzlich müsse aus eigenen Mitteln aber eine Million Euro bereitgestellt werden: „Auch wenn wir das auf fünf Jahre strecken können, ist es immer noch eine Menge Geld, sodass wir gerne genauer wissen würden, wofür wir es ausgeben.“
Leere Rohre nutzen nicht viel
Die Ziele der Kirchheimer Bewerbung um die Teilnahme am Modellprojekt seien alles andere als klar beschrieben: „Da sind noch zwingend Hausaufgaben zu erledigen. Wenn das nicht ordentlich aufbereitet ist, kriegen wir gar keinen Zuschuss.“ Ein ganz anderes Problem sei die Breitbandversorgung: „Wenn wir 20 Kilometer Leerrohre verlegen, haben wir zwar Rohre, aber noch lange kein schnelles Internet.“ Bürgermeister Stefan Wörner räumte dazu ein: „Da hat der Markt versagt. Man hätte das in öffentlicher Hand machen sollen, wie beispielsweise die Wasserversorgung.“
Bettina Schmauder (Freie Wähler) ging es darum, genauer zu definieren, was die Stadt durch die „Smart City“ erreichen will: „Die Menschen müssen die digitalen Anwendungen auch nutzen. Wir sollten nicht einfach irgendwas schaffen, was dann gar keiner braucht.“ Trotzdem ist sie davon überzeugt, dass es bei der digitalen Vernetzung im Sinne der „Smart City“ längst nicht mehr um das „Ob“ geht, sondern nur noch um das „Wie“.
Bei einem anderen „Wie“ stellte ihr Fraktionskollege Ralf Gerber die Grundsatzfrage: Die „Smart City“ soll nämlich auch mit der Bürgerbeteiligung gekoppelt sein, und in der bisherigen Form zweifelt Ralf Gerber die Bürgerbeteiligung schon lange an: „Da kommen maximal 250 Personen, und bei 150 von ihnen weiß man schon, welche Institution sie entsandt hat.“ Die meisten Bürger würden sich ohnehin erst dann für die Gemeinderatsthemen interessieren, wenn es sie persönlich betrifft.
Gerade bei der Digitalisierung sei es ganz anders gelaufen, betonte Gerd Mogler (CIK): „Das Fachforum hatte nicht viele Besucher. Aber die haben gemeinsam richtig gute Sachen erarbeitet. In der Richtung müssen wir weitermachen.“
Weitermachen soll die Stadt auch mit der „Smart City“: Die Bewerbung um den Zuschuss ging einstimmig durch. Und die direkte Bürgerbeteiligung? Ist durch Corona vorerst erledigt.Andreas Volz