Anfang April kamen Ebin Benny (19) und Joyal Raphal (20) nach Kirchheim. Die beiden Inder gehören zu einer 33-köpfigen Gruppe junger Auszubildender, die aus dem südindischen Bundesstaat Kerala nach Baden-Württemberg gekommen sind, um dort in verschiedenen Einrichtungen des diakonischen Sozialunternehmens „Die Zieglerschen“ eine dreijährige Ausbildung zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau (Generalistik) oder in der Altenpflegehilfe zu machen. Ebin und Joyal arbeiten im Kirchheimer Henriettenstift. „Wir beteiligen uns dieses Jahr zum ersten Mal am Projekt, das 2023 gestartet ist“, erklärt Einrichtungsleiter Marcel Koch. Über seine zwei neuen Azubis ist er sehr froh, denn es werde immer schwieriger, die freien Ausbildungsplätze zu besetzen: „Das ist in dem Bereich allgemein ein Problem, die Nachfrage hat in den letzten zwei, drei Jahren massiv abgenommen. Das fängt schon bei der Hauswirtschaft an“, so Koch. Aus dem Ausland bekomme er dagegen nahezu täglich Bewerbungen.
Deutsch ist Voraussetzung
Die beiden angehenden Pflegefachmänner Ebin und Joyal sind sich einig: „Das ist unser Traumjob!“ Eine vergleichbare Ausbildungsmöglichkeit gebe es in der Heimat nicht, nur die zur Krankenschwester, nicht aber zum Kranken- oder Altenpfleger. Das Pflegesystem sei ein anderes. „Die älteren Leute werden bei uns meistens in den Familien von den Angehörigen gepflegt, da leben mehrere Generationen unter einem Dach“, erzählt Ebin. Selbst wenn jemand in der Klinik sei, helfen die Angehörigen. „Ich möchte anderen Menschen helfen, daher ist die Ausbildung eine große Chance für mich“, ergänzt der 19-Jährige.
Als Vorbereitung galt es für die 33 neuen Azubis in der Heimat die mit den Zieglerschen kooperierende Sprachschule zu besuchen, um Deutsch zu lernen bis zum B2-Niveau. „Wir haben einen Schulabschluss, der vergleichbar ist mit dem Realschulabschluss. Dann waren wir gut ein Jahr in der Sprachschule“, berichtet Ebin. Diese habe mehrere Standorte im Bundesstaat Kerala, ergänzt Jaqueline de Riese, die Kommunikationsmanagerin der Zieglerschen in Kirchheim. Der Deutschunterricht setze sich am Diakonischen Institut in Esslingen fort. Zudem sei eine Delegation der Zieglerschen in Indien gewesen, um die angehenden Azubis auf die Pflegeberufe in Deutschland inhaltlich vorzubereiten. Zum Blockunterricht und der praktischen Arbeit in den Einrichtungen kämen außerdem Außeneinsätze dazu. „Das kann beispielsweise in der Kirchheimer Medius-Klinik, im Klinikum Esslingen oder auch in einer Praxis sein“, ergänzt Marcel Koch.

Für Ebin und Joyal ist es die erste Auslandserfahrung, bisher seien sie nur in Indien selbst ein wenig gereist. Fern der Heimat zu sein, mache ihnen nichts aus. „Wir können ja telefonisch Kontakt mit unseren Familien halten und wir sind hier als Gruppe und daher nicht allein“, sagt Ebin. Während ihrer gesamten Ausbildungszeit haben die indischen Azubis zudem eine feste Ansprechpartnerin der Zieglerschen, die sie unterstützt.
Erste Auslandserfahrung
Kirchheim gefalle ihnen sehr gut, sagen Ebin und Joyal, die aus der Großstadt Thrissur stammen: „Hier ist alles so nah beieinander.“ Spannend finden sie zudem die für sie ganz neue Kultur und Natur. An die hiesige Kulinarik müssen sie sich noch gewöhnen. „Da fehlt es ein bisschen an den Gewürzen“, sagen beide und lachen. Da könne man sich aber helfen.
Raphael Frances stammt ebenfalls aus Kerala und kam vor 25 Jahren nach Deutschland, um in der Pflege zu arbeiten. Heute zählt er zum Global Welcome Team der Zieglerschen und hat das „Indienprojekt“ maßgeblich mit angestoßen und anfangs im Stuttgarter Landtag vorgestellt. „Speziell in Kerala gibt es im medizinischen und im IT-Bereich einen großen Pool an jungen Bewerberinnen und Bewerbern. In Deutschland ist der Bedarf hoch. Auch die Bruderhausdiakonie und das Samariterstift haben Interesse an unserem Programm angemeldet“, berichtet Raphael Frances. Neben Indien gebe es zudem Azubis aus den Balkan-Ländern, geplant seien weitere Kooperationen mit Kenia, Brasilien und den Philippinen. Im Herbst starte als dritter Baustein die Ausbildung in der Heilerziehungspflege.
„Die Zieglerschen“ haben gut 60 Standorte in Baden-Württemberg. Über 3400 Mitarbeitende betreuen pro Jahr etwa 8200 Menschen in der Alten- und Behindertenhilfe, dem Hör-Sprachzentrum sowie in der Jugend- und Suchthilfe. Die 33 aktuellen Azubis sind auf 13 Einrichtungen verteilt, im Kreis Esslingen in Kirchheim, Wendlingen, Denkendorf, Esslingen, Aichwald und Bempflingen.
Das „Indienprojekt“ der Zieglerschen
Seit Herbst 2023 gewinnt das diakonische Sozialunternehmen „Die Zieglerschen“ im südindischen, katholisch geprägten Bundesstaat Kerala junge Menschen mit Deutschkenntnissen für eine Ausbildung zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau („Generalistik“) und vereinzelt in der Altenpflegehilfe (APH). Eingesetzt werden die Auszubildenden in den 25 Pflegeheimen sowie bei den sieben ambulanten Pflegediensten der Zieglerschen.
Projektpartner in Indien ist eine Sprachschule mit mehreren Standorten in Kerala, die junge Menschen nach dem Schulabschluss bis zum für die Ausbildung erforderlichen Deutsch-Sprachniveau B2 für die Generalistik und B1 für die Altenpflegehilfe schult. Der Unterricht wird in Esslingen fortgesetzt.
Jeweils im Frühjahr und Herbst kommen die neuen Azubis nach Baden-Württemberg. Die Zahl steigt stetig: Angefangen mit drei im Herbst 2023, waren es im April 2025 bereits 33 Azubis, im kommenden Herbst werden weitere 37 erwartet. Insgesamt sind es 97 Pflegefachleute und neun Altenpflegehilfe-Azubis.
Die Zieglerschen kooperieren mit weiteren Sozialunternehmen. Von den derzeit 106 Azubis sind 32 bei anderen diakonischen Altenhilfeträgern in Baden-Württemberg eingesetzt. eis

