Kirchheim
„Fasnet darf nicht abgesagt werden“

Fasnet-Saison Über der nahenden fünften Jahreszeit brauen sich dunkle Wolken zusammen. Die Regierung denkt gar über ein Faschingsverbot nach. Für die Kirchheimer „Kloster-Deifel“ ist das unvorstellbar. Von Thomas Krytzner

Nach der Fasnet ist vor der Fasnet: Im Februar, noch vor der weltweit überschwappenden Corona-Pandemie, feierten die Narren ausgelassen, bevor sie ihre Häs und die Masken wieder ablegten. Direkt an die närrische Zeit folgten schon erste Vorbereitungen für die Kampagne 2021.

Die Zünfte verschickten Einladungen für ihre Umzüge, planten bereits die nächsten Narrentaufen und den Rathaussturm. Vor ein paar Tagen sprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das aus, was alle zwar schon befürchtet hatten, aber nicht wahrhaben wollten: „Fasching unter Corona-Bedingungen ist kaum vorstellbar.“ Ist dies jetzt das Aus für das fröhliche Treiben zwischen Narrentaufe und Aschermittwoch?

„Wir hängen momentan in der Luft“, beschreibt Holger Böhm, Zunftmeister der „Kloster-Deifel“ aus Kirchheim die Situation. „Durch die fehlenden Erfahrungswerte wissen wir nicht, wie wir planen sollen. Die neue Kampagne ist schon organisiert, allerdings alles unter Vorbehalt.“ Ein weiterer Stich ins Narrenherz erfolgte dann Ende August, als Landesvater Winfried Kretschmann verkündete, dass sämtliche Großveranstaltungen bis zum Ende des Jahres verboten seien. Der Vize-Chef der „Kloster-Deifel“ ist verzweifelt: „Durch die gestiegenen Infektionszahlen wird die Lage immer undurchsichtiger. Wir haben als Zunftvorsitzende den Mitgliedern, aber auch den Gästen, eine Verantwortung gegenüber.“

Auf der Kippe steht die Narrentaufe am 6. Januar 2021 auf dem Marktplatz in Kirchheim. Sie gilt traditionell als Auftakt für die närrische Zeit. Holger Böhm und Harald Müller schwebt zwar ein theoretisches Hygienekonzept vor, die damit verbundenen Kos- ten würden sich allerdings nicht lohnen.

Für die Zünfte ist dies wie ein Schlag ins Gesicht. „Die Narrentaufe ist unsere Haupteinnahmequelle. Da wir in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet haben, könnten wir eine Absage der Fasnet finanziell gut überstehen, aber für echte Narren ist die Situation unvorstellbar“, sagt Holger Böhm. Harald Müller bestätigt: „Eine Kröte könnten wir schlucken, aber ein Leben ohne Fasnet: Das ist kaum erträglich.“ Für beide ist Fasnet eine Lebenseinstellung: „Wer sich für die Fasnet entscheidet, hat die Affinität dazu. Wer dabei ist, ist überzeugter Narr“, betont Müller.

Auch das Vereinsleben ist während des Lockdowns komplett ausgefallen, selbst die Zunftvorsitzenden trafen sich nur online per Videokonferenz. „Im Oktober wollen wir den traditionellen Zunftausflug veranstalten, doch momentan planen wir auch nur von Tag zu Tag“, erklärt Holger Böhm. Trotz der Tatsache, dass beide Zunftmeister eingefleischte Fasnächtler sind, bleiben sie realistisch. „Wer in einer Zunft ist, hat gleichzeitig eine Teilnahmepflicht für die Veranstaltungen während der Fasnetszeit. Aufgrund der Corona-Pandemie verzichten wir auf die Pflicht. Es wird niemand gezwungen, sich ins Häs zu stürzen.“ Harald Müller ergänzt: „Es gibt in der Zunft auch Mitglieder aus Risikogruppen oder solche, die in systemrelevanten Berufen tätig sind.“ Für beide ist deshalb klar: „Wir wollen Kirchheim nicht zum Corona-Hotspot werden lassen.“

Die Hoffnung auf das närrische Treiben im kommenden Jahr geben aber beide nicht auf: „Fasnet kann man nicht einfach absagen. Man kann zwar Veranstaltungen absagen, aber nicht den Menschen das Feiern verbieten.“ Zunftmeister Böhm befürchtet: „Wer jetzt Entscheidungen bezüglich Corona trifft, kann gerade entscheiden, wie er will - es ist das Falsche.“

Gewissheit muss her

Sie setzen daher auf vereinsinterne Anlässe. „Eine Hallenfasnet wird selbst mit ausgeklügeltem Hygienekonzept kaum durchführbar sein. Da wir aber neue Zunftmitglieder haben, die getauft werden sollen, müssten wir die Narrentaufe halt ohne Zuschauer veranstalten“, kündigt Harald Müller an. Die beiden wollen jetzt die Beratung der Vereinigung der Schwäbisch Alemannischen Narrenzünfte (VSAN) im September abwarten, bevor sie weitere Entscheidungen treffen. „Spätestens bis zur Mitgliederversammlung Mitte November muss aber endgültig klar sein, ob Narrentaufe und Rathaussturm stattfinden können.“