Kirchheim
Fast keiner will heutzutage noch Saft und Gelee machen

Obstbau Die Stadt Kirchheim möchte dafür sorgen, dass die Arbeit auf dem eigenen Grundstück wieder attraktiver wird. Das Streuobstwiesenkonzept vergleicht Äpfel mit Birnen und sieht letztere klar im Vorteil. Von Andreas Volz

Nicht nur in der Arbeitswelt zeigt sich der Generationenwechsel als zunehmendes Problem, sondern auch im Freizeitverhalten und in der Landwirtschaft: Immer mehr Arbeitskräfte gehen in den Ruhestand, ohne dass junge Menschen in genügender Anzahl nachrücken, und so sieht es auch auf den Wiesen aus. „Wer sie bisher bewirtschaftet hat, kommt irgendwann in ein Alter, in dem das nicht mehr geht“, sagte Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader im Gemeinderatsausschuss für Infrastruktur. Wohnen und Umwelt. Weil die Nachfolgegeneration ihre Freizeit aber häufig nicht mehr auf oder unter Obstbäumen zubringen will, geraten die Bestände in Gefahr – mangels Pflege.

Die Zahlen sind ernüchternd: Auf den Wissen in städtischem Besitz stehen etwas mehr als 1 300 Obstbäume. Über die Hälfte davon sind „mittelstark geschädigt“. Knapp ein Viertel ist „stark geschädigt“ oder „tot“. Lediglich dem verbleibenden Viertel wird der Status „gesund“ bescheinigt.

Der Zustand der Bäume ist auch stark von der Baumart abhängig: Bei den Apfelbäumen gelten nur 15 Prozent als gesund, bei den Birnbäumen sind es 39 Prozent. Allerdings handelt es sich bei 70 Prozent aller städtischen Obstbäume um Apfelbäume. Ohne einen massiven Eingriff und bei weiterhin nachlassender Pflege dürfte sich der Bestand an vitalen Bäumen also weiter drastisch verringern.

Apfelbäume sind überaltert

Zwei wesentliche Probleme beim Apfel benennt Wolf Rühle, Umwelt- und Naturschutzbeauftragter der Stadt Kirchheim: „Oft sind die Apfelbäume bei uns überaltert und allein deswegen schon enorm anfällig. Außerdem sind Apfelbäume sehr pflegeintensiv. Sie sterben ohne Pflege also eher ab.“ Ganz anders sieht es bei Birnbäumen aus oder auch bei Walnussbäumen. Ihnen bescheinigt Wolf Rühle – im Gegensatz zum Apfel – sowohl eine „hohe Vitalität“ als auch eine „geringe Pflegebedürftigkeit“.

Die Stadt will die Streuobstwiesen unter anderem dadurch retten, dass sie als Anreiz zum Bäumepflanzen 30 Euro pro Neupflanzung zuschießt – für bis zu drei Obstbäume pro Flurstück im Außenbereich. Die Bewirtschaftung der Wiesen unterstützt sie durch den Verleih von Geräten wie Hochentastern oder auch Aufsitzhochgrasmähern. Für die Ernte sind Aktionen mit Schulen und Vereinen vorgesehen.

Zur Ernte: Die gelben Bänder waren nicht sehr erfolgreich, räumt Wolf Rühle ein. Sie sollen Bäume kennzeichnen, deren reifes Obst zur Ernte freigegeben ist. Wer immer an den Früchten Interesse hat, darf sie ernten. Aber: „Weder fragen die Eigentümer nach den Bändern für ihre Bäume noch werden Bäume, die tatsächlich einmal mit diesen Bändern versehen sind, dann auch wirklich abgeerntet.“

Als weiteres Problem mit dem Generationenwechsel nennt Wolf Rühle Fälle, die es vielfach gibt: Die Wiese geht ins Eigentum einer Erbengemeinschaft über, und innerhalb dieser Gemeinschaft herrscht eine große Uneinigkeit, was denn auf dem Grundstück geschehen soll. Zur sachgerechten Pflege des Baumbestands oder zu Neupflanzungen kommt es unter solchen Umständen eher nicht.

Und noch etwas hat sich verändert: „Früher hat man aus den Äpfeln Saft oder Gelee herzustellen. Heute ist man darauf nicht mehr angewiesen. Das gilt mehr als ,nice to have‘.“ Es geht also darum, die nachwachsende Generation zu motivieren, die Arbeit auf dem Stückle wieder als gewinnbringend anzusehen – wenn auch eher nicht unter materiellen Gesichtspunkten. Das alles versucht die Stadt mit ihrem Streuobstwiesenkonzept, das der Ausschuss einstimmig genehmigt hat.