Kirchheim
Flüchtlinge: Keine belegten Sporthallen im Landkreis Esslingen

Flucht Anders als in den Jahren 2015/16 kommt der Landkreis aktuell ohne echte Notunterkünfte aus.

Kreis. Die Jahre 2015 und 2016 sind als „Flüchtlings- oder Migrationskrise“ in die Geschichte eingegangen. Damals flohen fast zwei Millionen Menschen in die Europäische Union, die meisten davon vor dem syrischen Bürgerkrieg und den Taliban in Afghanistan. Der Landkreis Esslingen musste in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 7500 Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf verschaffen – eine Mammutaufgabe. Nicht nur Gemeinschaftsunterkünfte wurden belegt, sondern zusätzlich sogenannte Notunterkünfte wie Zelte und Containerdörfer geschaffen. Gewerbehallen wurden umfunktioniert, und auch die drei Kreissporthallen verwandelten sich – mit dem Nötigsten ausgestattet – vorübergehend in Sammelunterkünfte.

Elf dieser Notunterkünfte gab es im Jahr 2015. Im Jahr 2023 hingegen, in dem wieder von „Flüchtlingskrise“ die Rede ist, existieren bislang weder Zelte noch belegte Sporthallen. Landrat Heinz Eininger wird nicht müde zu betonen, dass der Platz in der vorläufigen Unterbringung nahezu erschöpft und die Belegung von Kreissporthallen nicht mehr auszuschließen sei. Weil weiterhin rund 300 Menschen pro Monat zusätzlich in den Landkreis kommen, ist die Verwaltung permanent auf der Suche nach neuen Unterkünften. Im ersten Halbjahr 2024 entstehen Unterkünfte in Neckartailfingen, Nürtingen, Ostfildern, Bissingen, Köngen und Denkendorf. Auch ein Containerdorf in Kirchheim ist geplant.

Verglichen mit Juni 2016, dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingswelle, sind die Zahlen in der vorläufigen Unterbringung im Moment eher niedrig. 2400 Menschen muss der Landkreis aktuell beherbergen. Ende 2015, als die Migrationsbewegung noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte, waren es 4467 Menschen, davon lebten 1587 in Notunterkünften. 2880 Asylbewerber waren, „regulär“ auf die Kommunen verteilt, in Kreis-Einrichtungen untergebracht. Allerdings war die Zahl der Städte und Gemeinden, die dem Landkreis bei seiner Unterbringungspflicht halfen, zu diesem Zeitpunkt deutlich größer: In 32 Kommunen gab es 76 Unterkünfte, Notunterkünfte nicht eingeschlossen. Insgesamt hat der Landkreis Esslingen 44 Städte und Gemeinden. Zum Vergleich: Zur Stunde existieren 30 Unterkünfte in 20 Kommunen. 23 Städte und Gemeinden haben aktuell gar keine Gemeinschaftsunterkunft.

Allerdings herrschte damals auch kein Krieg in Europa. Seit Februar 2022 sind über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer vor Putins Angriffskrieg nach Deutschland geflohen und auf die Kreise und Kommunen verteilt worden. Zählt man sie mit Asylbewerbern aus anderen Herkunftsländern zusammen, kamen 2022/23 rund 11 400 Menschen im Landkreis Esslingen neu dazu, und damit 4000 mehr als 2015/16. Anders als Flüchtlinge aus anderen Ländern, die zuerst das Asylverfahren durchlaufen und währenddessen in einer Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises leben müssen, landeten 2022 und 23 insgesamt 3400 Ukrainerinnen direkt bei den Kommunen. Der Großteil der rund 4800 ukrainischen Flüchtlingen, die zunächst in der vorläufigen Unterbringung aufgenommen wurden, habe aufgrund der rechtlichen Voraussetzungen direkt in Anschlussunterbringung beziehungsweise Privatwohnraum in den Kommunen umziehen dürfen, teilt der Landkreis auf Anfrage mit. Insgesamt sind 2022/23 also 8200 Menschen aus der Ukraine in den Städten und Gemeinden des Landkreises untergekommen. Antje Dörr