Kirchheim
Fraktionschef der Freien Wähler: „Die AfD auszugrenzen, bringt nichts“

Politik Bernhard Richter, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag, fordert ein offenes Visier im Umgang mit der AfD. Ein Mittel gegen Populismus sei zudem, Problemthemen klarer anzusprechen. Von Thomas Zapp

Die AfD feiert zunehmend Wahlerfolge und treibt den etablierten „Altparteien" die Sorgenfalten auf die Stirn. Der Spiegel wirft in seiner aktuellen Ausgabe sogar die Frage auf, ob der Partei mit einem Verbot beizukommen wäre. Diese Sorgen muss sich Bernhard Richter nicht machen. Der Vorsitzende der Freien-Wähler-Fraktion im Kreistag hat eine komfortable Situation: 28 Sitze haben sie im Kreistag, die Linke drei, die AfD fünf, mit den Sitzen der ehemaligen Republikaner. 

Abgrenzen möchte sich Richter, der hauptamtlich Bürgermeister von Reichenbach ist, von beiden Extremen. „Dabei unterscheiden wir nicht zwischen Links und Rechts: Die Linken leugnen, dass es einen DDR-Unrechtsstaat gab und sitzen noch auf alten SED-Millionen.“ Damit wolle man nicht zusammenarbeiten. Für ihn und seine Fraktion steht fest: „Wir machen weder Anträge mit Links noch mit Rechts“. 

Auch die „Gretchenfrage“ stellt sich für den Fraktionsvorsitzenden nicht, nämlich was passieren würde, wenn AfD einen „guten Antrag“ stelle: Wären die Freien Wähler dann aus Prinzip dagegen? „Damit müssen wir uns nicht auseinandersetzen“, sagt er. Allerdings ist dafür die komfortable Mehrheit nicht der einzige Grund: Die AfD stelle oftmals populistische Anträge, die ohnehin nicht umsetzbar sind.

 

Migration ist das Kernthema 

Wie jüngst bei der Debatte zum Haushaltsplan: „Sie haben den Antrag gestellt, dass der Landkreis keine Asylbewerber mehr aufnehmen solle. Das ist Unsinn, denn der Landkreis ist dazu gesetzlich verpflichtet“, erklärt er. 

Die beste Strategie ist für Richter, mit offenem Visier anzutreten. „Die AfD bei Podiumsdiskussionen auszugrenzen, bringt gar nichts, im Gegenteil. Die muss man einladen, damit die Leute sehen, was das für welche sind.“ Denn die guten Leute seien in der Bundesspitze, aber nicht vor Ort. „Auch den Landtagsabgeordneten der AfD kenne ich nicht, die treten hier nicht in Erscheinung und bleiben möglichst anonym“, fügt er hinzu.  

Was die Bundespolitik beträfe, spielte die Asylpolitik der jeweiligen Regierungen seit vielen Jahren der Alternative für Deutschland in die Karten. „Warum ist die Partei bundesweit so stark? Das liegt ja nicht daran, dass 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler rechtsradikal sind“, ist Richter überzeugt. Das Schlüsselthema ist für ihn die Migration, die von der Ampelregierung vernachlässigt worden sei.

Im politischen Diskurs würde er sich daher mehr Mäßigung und mehr Pragmatismus wünschen. „Wenn man aus der Realität heraus einen Mangel benennt, ist man noch kein Populist.“ Dieses Thema müsse die Bundespolitik konsequent angehen, damit man nicht warte, bis die Stimmen für die AfD weiter steigen. „Wir haben viele Leute ohne Bleibeperspektive und ohne Anbindung an die Gesellschaft. Wenn man dieses Problem nicht ansprechen kann, sehe ich schwarz.“ 

Er erinnert an das Jahr 1992: Damals hatten die rechtsradikalen Republikaner mehr als zehn Prozent der Stimmen bei den Landtagswahlen geholt. Auch damals gab es nach dem Jugoslawienkrieg eine Flüchtlingskrise. „Das Land hat damals reagiert und ein Asylabkommen geschaffen“, sagt er. Die REPs sind heute nur noch eine Randnotiz. Das müsse wieder passieren. „Wenn der Staat nur zuschaut, dann verliert er an Glaubwürdigkeit.“

Dass im Osten die AfD auch einen Bürgermeister stellt, macht ihm keine Sorgen. „Wir sind Demokraten: Jede Stadt hat den Bürgermeister, den sie verdient. Dann darf sich aber auch keiner beschweren.“ Mehr noch: „Ich verstehe die Unzufriedenheit der Leute.“ Umso wichtiger sei es, das Thema Migration anzupacken. „Wenn dieser Grund weg ist, wer soll dann noch AfD wählen?“

Info Abgrenzungen sind Bernhard Richter wichtig: „Wir haben nichts mit den Freien Wählern in Bayern zu tun.“ Die hiesigen FW seien keine Partei, sondern eine Wählervereinigung, daher gebe es auch keine „Direktive von oben“.