Ein neuer Kreistag, ein neuer Landrat, Rekordinvestitionen und eine Wirtschaft mit ungewisser Zukunft – der Kreishaushalt 2025 sei ein besonderer, hatte der im Sommer neu gewählte Esslinger Kreischef Marcel Musolf bei der Vorstellung des Etatentwurfs vor Wochen betont. Ein historischer ist es geworden, zumindest, was die politischen Zeiten betrifft, in die er fällt. Einen Tag nach Trumps erneuter Wahl zum Präsidenten in den USA und dem zeitgleichen Kollaps der Berliner Regierungskoalition bestimmte mehr als sonst Außen- und Bundespolitik auch die Reden zum Haushalt bei der Generaldebatte im Kreistag. Schließlich hängt auch die Kommunalpolitik am Tropf der Konjunktur. Nach den noch verhalten positiven Steuerschätzungen im Mai, auf denen der Kreishaushalt fußt, liegen seit knapp zwei Wochen die aktuellen Zahlen vor: Das Land muss demnach mit gut 1,8 Milliarden weniger an Steuermitteln rechnen.
Keine kostspieligen Anträge
Wer kein Geld in der Tasche hat, der fasst sich mit Wünschen kurz. Schließlich belaufen sich die Haushaltsrisiken, die Kreiskämmerer Johannes Klöhn aufgrund offener politischer Fragen und ungewisser Konjunkturdaten ermittelt hat, auf mehr als 25 Millionen Euro. Die unklare Zukunft der Kliniken, die im Land zwar als Musterbeispiel gelten, in diesem Jahr jedoch womöglich letztmals eine ausgeglichene Bilanz vorweisen können, ist da noch gar nicht berücksichtigt. 10.000 Euro mehr für die Frauenhäuser und deren Beratung bei häuslicher Gewalt (SPD und Grüne), 25.000 Euro zusätzliche Förderung für die Suizid-Prävention des Kirchheimer Arbeitskreis Leben (AKL) seitens der Linke – mehr an konkret Bezifferbarem stand nicht auf der Wunschliste. Stattdessen eine ganze Reihe an Berichtsanträgen zu Themen wie sozialer Wohnungsbau und Obdachlosigkeit, ärztliche Versorgung, Bildung oder Nahverkehr.
Mit einer geringen Senkung rettet man keinen einzigen kommunalen Haushalt.
Freie-Wähler-Fraktionschef Bernhard Richter zur Festsetzung der Kreisumlage.
Auf mehr als 75 Millionen Euro belaufen sich die Mehrausgaben im Kreishaushalt im kommenden Jahr. Rund 40 Millionen davon sind staatlich vorgegebene Sozialleistungen. Bernhard Richter, Fraktionschef der Freien Wähler, sprach von einem „gesamtstaatlichen Leistungsversprechen“, das faktisch nicht mehr finanzierbar sei. Für die größte Fraktion im Kreistag geht damit ein ungewohnter Kurswechsel einher. Bei der Festsetzung der Kreisumlage – der einzig relevanten Größe, die der Kreistag im Haushalt selbst beeinflussen kann – herrscht seltene Einmut. Die Freien Wähler, die sich in der Vergangenheit geweigert hatten, etwaige Haushaltsrisiken im Vorgriff über die Kreisumlage abzusichern, tragen den Vorschlag der Verwaltung diesmal mit. Mit einer geringen Senkung rette man keinen einzigen kommunalen Haushalt, begründete Richter die Entscheidung. „Mit einer größeren Absenkung brächten wir den Haushalt in Schieflage.“ Damit schlagen die Freien Wähler ihrem früheren Fraktionskollegen Marcel Musolf in dessen erstem Amtsjahr haushaltspolitisch – wenn man so will – eine goldene Brücke.
AfD und FDP legen sich nicht fest
Bis auf AfD und FDP unterstützt eine große Mehrheit die vorgeschlagene Erhöhung der Kreisumlage um 1,9 auf 33,4 Prozentpunkte, die dem Kämmerer bis auf einen geringen Fehlbetrag eine „rote Null“ beschert. Die beiden Fraktionschefs Ulrich Deuschle (AfD) und Ulrich Fehrlen (FDP) wollten erst die Auswirkungen der November-Steuerschätzung abwarten, ehe man sich festlege. Für die 44 Städte und Gemeinden bedeutet dies immerhin, dass sie bereits vor der Haushaltsverabschiedung am 12. Dezember einigermaßen verlässlich planen können.
Eine Frage, die alle beschäftigt: Wie umgehen mit anstehenden Aufgaben in finanziell schwierigen Zeiten? Der Kreis habe seine Hausaufgaben gemacht, die Infrastruktur sei überwiegend saniert. „Wir wirtschaften auf hohem Niveau“, stellte Grünen-Chefin Stephanie Reinhold fest. Auch SPD-Fraktionschef Michael Medla sieht „eine gute Ausgangslage für künftige Herausforderungen“. Bei der Konzentration aufs Wesentliche müsse künftig verstärkt der Mehrwert und der Erhalt der sozialen Sicherheit und des Zusammenhalts im Vordergrund stehen. Ganz anders sieht das die CDU-Fraktion. Deren Vorsitzender Sieghart Friz spricht von „Jahrhundertinvestitionen“, die mit der Schlussrate für den Landratsamts-Neubau in Esslingen jetzt ihren Abschluss finden. Dem Kreis beschert dies eine Rekord-Verschuldung von 261 Millionen Euro im kommenden Jahr, die in den Folgejahren allerdings kontinuierlich sinken soll. Ziel müsse es sein, bis 2030 die 200-Millionen-Grenze zu unterschreiten, betonte Friz und forderte eine vierjährige Investitionspause. AfD-Chef Ulrich Deuschle hält das Schuldenproblem für hausgemacht: Freie Wähler und SPD hätten in der Finanzierung jahrelang kommunale Interessen über die des Landkreises gestellt.
Platznot in Sonderschulen
Die von der CDU geforderte Investitionspause dürfte schwer einzuhalten sein. Die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit der Esslinger Rohräckerschule und dem Verbund-Standort in Dettingen leiden durch steigende Schülerzahlen und dem Wegfall der Außenstelle in Leinfelden-Echterdingen unter akuter Platznot. Noch im November muss der Schulausschuss sich über Container als mögliche Übergangslösung Gedanken machen. Über den Finanzkurs der nächsten Jahre wollen die Fraktionen dann Anfang Februar in einer Klausursitzung beraten.