Wie man seinen Garten für die Zukunft rüsten kann, erfahren Interessierte am Samstag, 25. Oktober, um 18 Uhr bei einem Vortrag der renommierten SWR-Gartenexpertin Heike Boomgaarden. Mit vielen wissenswerten Details und Tipps ist sie in der Notzinger Gemeindehalle zu Gast. Das folgende Gespräch gibt einen kleinen Vorgeschmack.
Der Garten der Zukunft, wie wird er aussehen?
Heike Boomgaarden: Der Garten der Zukunft ist weit mehr als ein Ort der Erholung – er ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz, zur Biodiversität und zur gesellschaftlichen Resilienz. In Zeiten von Hitze, Dürre und Extremwetterereignissen wird der Boden zum CO₂-Speicher, der Baum zur natürlichen Klimaanlage und das Regenwasser zur wertvollen Ressource. Wir müssen umdenken: Weg von versiegelten Flächen und Einheitsrasen – hin zu lebendigen, vielfältigen, humusreichen Gärten, die Wasser speichern, Artenvielfalt fördern und Menschen verbinden. Jeder gepflanzte Baum, jede entsiegelte Fläche, jede Kompostschicht ist ein Schritt in Richtung Zukunft. Gärtnern ist heute nicht nur Gestaltung – es ist eine Haltung. Es ist gelebter Klimaschutz mit Herz und Hand. Und es beginnt direkt vor unserer Haustür.
Was sind die größten Herausforderungen für Gärtner?
Boomgaarden: Das Jahr 2025 verdeutlicht die zunehmende Komplexität der Klimafolgen in Mitteleuropa. Es war geprägt von extremen Wetterereignissen, einem gestörten Wasserhaushalt und empfindlichen Auswirkungen auf Natur und Garten. Es ist das drittwärmste Jahr seit Messbeginn mit dem wärmsten Februar seit 1881. Gleichzeitig führen stark schwankende Niederschläge zu einer Belastung der ökologischen und infrastrukturellen Resilienz. Ein Garten ist als Ganzes zu betrachten. Viele sind seit Jahrzehnten gewachsen und haben sich zum Teil an das veränderte Klima gewöhnt. Die Veränderung und Verschiebung der Jahreszeiten stellt die Gärten aber oft vor große Herausforderungen. Die Vegetationsperiode verlängert sich – seit 1961 bislang um mehr als 26 Tage. Das führt einerseits zu einer Verlängerung der Wachstumszeit, aber andererseits auch zu Stress für die Pflanzen, die sich nicht schnell genug anpassen können. Vögel und Insekten finden teils keine passende Nahrung mehr, wenn Blüte und Brut nicht mehr synchron laufen. Im Garten muss man sich auf eine frühere Aussaat, längere Trockenphasen und ein neues Wassermanagement einstellen.
Inwieweit muss ein Umdenken für die Bepflanzung stattfinden?
Ganz stark müssen wir über den Rasen nachdenken. Durch das veränderte Klima wird der Erhalt eines schönen englischen Rasens immer schwieriger und ergibt einen sehr schlechten CO₂-Fußabdruck. Braune, ausgetrocknete Böden, verdorrte Grashalme und abgestorbene Rasenflächen werden zunehmen. Anstatt die Pflanzen traditionell nur als Randelemente zu gruppieren, pflanzt man Bäume, Sträucher und Stauden ab jetzt in die Mitte des Rasens. Sie spenden Schatten und kühlen die Umgebungsluft, produzieren Sauerstoff, legen CO₂ fest, schlucken Lärm und Staub. Dazu blühen und duften sie.
Gibt es regionale Unterschiede, was die Klimaanpassung betrifft?
Ja, in Baden-Württemberg gibt es deutliche regionale Unterschiede, die eine differenzierte Klimaanpassung erforderlich machen. Die Anpassungsstrategie des Landes berücksichtigt diese Vielfalt – von den Oberrheinischen Tiefebenen bis zu den Höhenlagen des Schwarzwalds. Der Klimaatlas BW bietet regionale Daten und Karten zur Klimaveränderung – bis auf die Gemeindeebene.
Was ist in der Region Stuttgart und im Kreis Esslingen wichtig?
Hier sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits deutlich spürbar. Die Region Stuttgart entwickelt Konzepte zur Integration von Klimaanpassung in der Stadt- und Regionalplanung, etwa durch Grünflächen, Frischluftschneisen und Begrünung. Esslingen setzt auf Begrünung und Entsiegelung. Hier kann Klimagärtnern eine von vielen regionalen Antworten sein: Gärten als Wasserspeicher und um CO₂ zu senken, begrünte Höfe und Fassaden gegen Überhitzung, Kompostierung und Mulchen zur Bodenpflege, Bürgergärten als Orte der Bildung und Begegnung.
Auf welche Pflanzen müssen Gärtner über kurz oder lang verzichten und was sind die Alternativen?
Wir nennen sie „durstige Schönheiten“, die zwar prachtvoll blühen, aber hohe Ansprüche an Wasser und Pflege stellen. Dazu gehören zum Beispiel Hortensien, Rhododendren, Astilben, Ligularien oder Farne. Stattdessen lassen sich mit der Vielfalt von Rosen, den für ein naturnahes Gartenkonzept geeigneten Stauden (als Rosenbegleiter oder reine Blumenbeete) sowie Blumenzwiebeln ganzjährig blühende, pflegeleichte, klimaresiliente Gärten gestalten. Gut geeignet für den Garten der Zukunft sind zudem die Wildobstarten, denn sie sind anspruchslos und leicht zu kultivieren. Ohne die züchterische Bearbeitung haben sie noch ihre ursprüngliche Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Für die heimische Tierwelt bieten sie ein breites Nahrungsangebot.
Was wäre eine gut geeignete Pflanzenkombination für einen Nutzgarten?
Da wir heute oft kleine Gärten haben, können wir zum Beispiel Leckeres mit Schönem – Gemüse mit Blumen – kombinieren: So macht Gemüseanbau auch im Ziergarten Spaß. Nie zuvor gab es solch eine Vielzahl an hochattraktiven Gemüsesorten, ob von der Farbe oder Form oder beidem. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Küchengarten des Renaissance-Schlosses Villandry an der Loire: Hier findet man etwa einen blauen Lauch „Alcazar“ kombiniert mit dem dramatischen Rot und Hellgrün der Möhre „Krakow“ sowie verschiedene Hängepetunien, was den Garten optisch zu einem Kunstwerk macht.
Wie können Gärtner aktiv einen Beitrag zum Klima- und Artenschutz leisten?
Naturgärten haben die Natur zum Vorbild und das Ziel, artenreiche Lebensgemeinschaften zu fördern. Abwechslungsreiche Strukturen, eine Fülle an heimischen oder ökologisch wertvollen Pflanzen, aber auch die „schöpferische Nachlässigkeit“ locken willkommene Gartenbewohner. Sie bestäuben unsre Nahrungspflanzen, halten Schädlinge im Zaum und wandeln Komposthaufen, Mulch-Schicht-Schnittgut und gejätete Pflanzen zu wertvollen organischen Nährstoffen um. Weitere sinnvolle Maßnahmen sind beispielsweise Totholz- oder Geäst- und Laubhaufen für Igel und Käfer oder auch die Nutzung vielfältiger Hecken statt Thuja. Besonders wichtig für ungestörte Kreisläufe ist es zudem, auf chemisch-synthetische Pestizide und Dünger sowie auf Torf zu verzichten.
Inwiefern kann man sich das frühere Wissen zunutze machen?
Die Natur kennt keinen nackten Boden, sie bedeckt ihn mit Leben. Wer altes Wissen neu anwendet, Bodengare achtet, Regenwürmer schützt, Stoffkreisläufe schließt und Humus aufbaut, der gärtnert nicht nur ökologisch, sondern auch sinnhaft und nachhaltig. So wird der Garten zur lebendigen Kulturlandschaft. Mulchen ist dabei eine gelebte Kreislaufwirtschaft.
Warum ist es so wichtig, die natürliche Vielfalt zu fördern?
Die Biodiversität ist kein Luxus, sie ist die Lebensgrundlage für alles, was lebt. Ohne sie verlieren wir nicht nur Arten, sondern auch die Stabilität und Resilienz unserer Ökosysteme, die unser Klima regulieren, unsere Nahrung sichern und unsere Gesundheit schützen.
Was erwartet das Publikum am 25. Oktober in Notzingen?
Ein lebendiger Vortrag zu Klimagärten, der traditionelles Gärtnerwissen mit praxisnahen Impulsen für ökologisches Gärtnern und innovativen Lösungen für die Herausforderungen des Klimawandels verbindet und erklärt, wie man mit einfachen Mitteln zur Klimaanpassung beitragen kann. Der Vortrag macht Mut, Verantwortung zu übernehmen und Zukunft zu pflanzen – lokal, wirksam und gemeinschaftlich.
Den „Garten der Zukunft“ im Blick
Heike Boomgaarden ist Gartenbauingenieurin und gelernte Obstgärtnerin. Und sie ist Gartenliebhaberin aus Leidenschaft. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Sie ist außerdem als Radio- und TV-Gartenexpertin unter anderem für den SWR im Einsatz. Auch als Buchautorin, Projektleiterin und Herausgeberin widmet Heike Boomgaarden sich vielen grünen Themen. Dabei sind ihr Strategien gegen den Klimawandel besonders wichtig.
Seit 2015 bildet sie außerdem in Kenia Frauen zu Permakulturassistentinnen aus. Sie lernen, wie sie mit ihrem eigenen Garten die Familie ernähren können.
Der Obst- und Gartenbauverein Notzingen lädt am Samstag, 25. Oktober, um 18 Uhr (Einlass: 17.30 Uhr) zu einem Vortrag mit Heike Boomgaarden in die Gemeindehalle ein. Thema ist der „Garten der Zukunft“. Der Eintritt kostet fünf Euro. eis

