Kaum ein Thema polarisiert so wie die Zuwanderungsfrage. Debatten über Flüchtlinge, die Deutschen angeblich die Zahnarzttermine wegnehmen, erhitzen die Gemüter. Migration ist ein gesellschaftlicher Triggerpunkt. Wissenschaftliche Studien zeigen aber, dass die Gesellschaft keineswegs so gespalten ist, wie es den Anschein hat. Bezüglich der Notwendigkeit humanitärer Migration und der Zuwanderung von Fachkräften besteht ein breiter Konsens.
Um die politische Diskussion sachlich zu gründen, ist es wichtig, die Perspektive von Migranten selbst einzubeziehen. Diesem Ansatz ist die Ausstellung „Zwischen Staunen und Stolpern“ verpflichtet, die aktuell im Kirchheimer Rathaus zu sehen ist. Die Fotoausstellung des Kreisdiakonieverbands Esslingen rückt die Situation geflüchteter Kinder ins Zentrum. „Wir wollen ein anderes Bild von Geflüchteten vermitteln“, betonte Gisela Glasebach von der kirchlich-diakonischen Flüchtlingsarbeit zur Ausstellungseröffnung. Man könne das komplexe Thema nicht über einen Kamm scheren. Stets handle es sich um individuelle Schicksale, um je eigene Geschichten. Dem pflichtete Reinhard Eberst von der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim bei: „Unser Anliegen ist es, Geflüchtete zu würdigen und ihnen ein Gesicht zu geben“.
Bedürfnis nach würdigem Wohnen
Um die negativen Vorurteile, die dem Themenkreis Migration oft vorauseilen, weiß auch Johanna Feder: „Häufig wird nur das in den Blick genommen, was nicht klappt.“ Die zahlreichen Kontakte mit Familien, die Feder im Zuge ihrer Arbeit in der diakonischen Flüchtlingshilfe hatte, nährten den Wunsch, nicht nur über Geflüchtete zu sprechen, sondern sie selbst auf kreative Weise zu Wort kommen zu lassen. Gemeinsam mit Fotografin Carolin Mühlbrett führte Feder Interviews, um zu erfahren, was Kinder und ihre Eltern beim Ankommen im Landkreis Esslingen zum Staunen, aber auch zum Stolpern bringt. In den ausgestellten Texten kommen rassistische Erfahrungen und bürokratische Hürden zur Sprache. Mangelnde Kindergartenplätze bestimmen den Alltag ebenso wie das Bedürfnis nach würdigem Wohnen. Dankbar sind die Geflüchteten für die uneigennützige Hilfe vieler Einheimischer beim Spracherwerb und der Bewältigung des noch ungewohnten Alltags. „Meine Kinder sollen das Gefühl haben, Teil der Gemeinschaft zu sein, und keine Fremden bleiben“ – der Wunsch nach gelingender Integration zieht sich als Tenor durch die Interviews. Dem stellen sich die Fotos von Carolin Mühlbrett zur Seite. „Es ist mir ein Anliegen, Menschen sichtbar zu machen, die in unserer Gesellschaft oft unsichtbar sind“, erläutert sie ihren fotografischen Ansatz. Eine schöne Erfahrung sei der durchweg herzliche Empfang in den Familien gewesen. Entstanden sind authentische, gleichwohl ästhetische Bilder, die den Blick auf Migration erweitern. Den Anspruch, geflüchteten Kindern in ihrer Lebenswelt zu begegnen, lösen die Fotografien mit dezidiert dokumentarischer Haltung ein.
Bis 26. März im Rathaus zu sehen
Die Wanderausstellung „Zwischen Staunen und Stolpern – geflüchtete Kinder im Landkreis Esslingen“ ist bis einschließlich 26. März im Kirchheimer Rathaus zu sehen. Anschließend sind die Exponate in der Kirchheimer FBS, die am Samstag, 2. März, eine Begleitveranstaltung anbietet. Zwischen 10 und 12.30 Uhr können sich Familien, die Asylbewerberleistungen bekommen, professionell fotografieren lassen.